Prozess der Woche in Berlin: Feuerattacke auf schlafenden Obdachlosen am U-Bahnhof Schönleinstraße

Berlin - Es war eine Tat, die für Entsetzen sorgte. In der Nacht zum ersten Weihnachtsfeiertag des vergangenen Jahres versuchen junge Männer, im U-Bahnhof Schönleinstraße in Kreuzberg einen Obdachlosen anzuzünden. Der Mann, der arglos auf einer Holzbank schläft, bleibt nur durch Zufall unverletzt. Denn Fahrgäste einer U-Bahn können die Flammen löschen. Sehr schnell sucht die Polizei nach den sieben mutmaßlichen Tätern: mit Bildern einer Überwachungskamera aus einer U-Bahn. Sechs der sieben Verdächtigen stellen sich schon einen Tag später auf verschiedenen Polizeiwachen. Kurz darauf nehmen Zivilfahnder den 21-jährigen mutmaßlichen Haupttäter fest.

Am Dienstag beginnt gegen die sieben Tatverdächtigen vor dem Landgericht Berlin der Prozess. Sechs Angeklagte müssen sich wegen versuchten Mordes verantworten. Sie sollen heimtückisch und grausam gehandelt haben. Denn der Obdachlose war arg- und wehrlos. Der siebte Angeklagte, ein 17-jähriger Jugendlicher steht wegen unterlassener Hilfeleistung vor Gericht. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft vor, das Feuer nicht gelöscht zu haben.

Sieben Tatverdächtige

Die sieben Tatverdächtigen, der jüngste ist 16, der älteste 21 Jahre alt, sitzen in Untersuchungshaft. Sie sind als Flüchtlinge nach Berlin gekommen, stammen aus Syrien und Libyen. Sie lebten in verschiedenen Flüchtlingsunterkünften in Berlin. Nour N. ist der älteste Angeklagte, der mutmaßliche Haupttäter. Er soll es gewesen sein, der einem spontan gefassten gemeinsamen Tatentschluss folgend gegen 2 Uhr nachts auf dem Bahnsteig des U-Bahnhofes ein Taschentuch entzündet und das brennende Tuch neben den Kopf des schlafenden 37-jährigen Obdachlosen gelegt hat. Die jungen Männer flohen mit einer U-Bahn vom Tatort. Die Flammen sollen sich bereits auf den Rucksack und eine Plastiktüte des Obdachlosen ausgebreitet haben.

Die jungen Männer sollen nicht geleugnet haben, am Tatort gewesen zu sein, sie sollen die Tat jedoch bestritten haben. Nour N. gab offenbar an, betrunken gewesen zu sein und sich nicht erinnern zu können.

Diskussion um Videoüberwachung

Der Fall hatte erneut die Diskussion um die Ausbreitung der Videoüberwachung in Berlin angeheizt. Der Opferbeauftragte von Berlin, Roland Weber, plädiert für eine Videoüberwachung mit Augenmaß. "Es ist doch so, dass mit Bildern aus der Videoaufzeichnung eine ganze Reihe schwerster Straftaten in Berlin aufgeklärt werden konnten", sagt er. Und nicht selten seien dadurch Täter gestoppt worden, bei denen einiges dafür gesprochen habe, dass sie weitere Verbrechen begangen hätten. "Ich denke da nur an den Fall der entführten und getöteten Kinder Elias und Mohamed", sagt Weber. Ohne die Bilder aus einer Überwachungskamera, die Mohamed an der Hand seines Mörders zeigen, wäre man wohl nicht auf den Täter gestoßen - und vermutlich hätte der Mann weitere Kinder missbraucht und getötet.

"Oder der Mord an der Abiturientin Hanna K., die kurz vor ihrem Elternhaus in Kaulsdorf umgebracht worden ist." Der Täter war mit der jungen Frau am Bahnhof Wuhletal aus der U-Bahn gestiegen, er hatte sie verfolgt, in ein Gebüsch gezerrt und erdrosselt. Anhand von Videoaufnahmen konnten die Ermittler den Weg von Hanna K. vom Bahnsteig Wuhletal bis zum U-Bahnhof Frankfurter Allee zurückverfolgen - so stießen sie auf den Täter. Und auch der Fall, der nun vor dem Landgericht verhandelt wird, konnte mit Hilfe der Überwachungstechnik aufgeklärt werden.

Für den Prozess sind bisher acht Verhandlungstage vorgesehen. Ein Urteil könnte demnach am 13. Juni gesprochen werden. Die Verhandlung vor einer Jugendkammer ist öffentlich, auch wenn der jüngste Angeklagte erst 16 Jahre alt ist.

Der Prozess beginnt am Dienstag um 9.15 Uhr im Saal B 218 des Kriminalgerichts Moabit in der Turmstraße 91.