Prozess in Berlin: Kudamm-Raser wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt

Berlin - Im Prozess um ein illegales tödliches Autorennen in Berlin sind beide Angeklagten wegen Mordes verurteilt worden. Sie erhielten am Montag im Landgericht lebenslange Freiheitsstrafen. Das Urteil für diese Form der Raserei mit tödlichem Ausgang ist nach jetzigem Kenntnisstand bislang einmalig. Es ist aber noch nicht rechtskräftig.

Die Härte des Urteils überraschte viele: Als der Vorsitzende Richter Ralph Ehestädt den Begriff "lebenslange Freiheitsstrafe" aussprach, waren spitze Schreie aus dem Publikum zu hören. "Was, das kann doch nicht sein", riefen mehrere Zuschauer.

Die beiden Angeklagten nahmen den Schuldspruch mit versteinerten Mienen entgegen. Der 28-jährige Hamdi H. blieb stehen, als der Richter nach der Urteilsverkündung die Anwesenden aufforderte, wieder Platz zu nehmen. Er versuchte noch, mit Ehestädt zu diskutieren - jedoch erfolglos.

Mit 160 Stundenkilometern über den Kudamm

Hamdi H. und der 25-jährige Marvin N. waren am 1. Februar 2016 mit fast 160 Kilometern pro Stunde über den Kudamm gebrettert. Nichts hielt sie auf. Nicht die 13 Kreuzungen, nicht die zahlreichen Ampeln, die auf Rot standen. Das illegale Kräftemessen ihrer PS-starken Fahrzeuge endete in der Dunkelheit zwischen Gedächtniskirche und KaDeWe in einer Katastrophe. 

Der Audi A6 TDI von Hamdi H. krachte ungebremst in den Wagen eines bei grün einbiegenden 69-Jährigen. Der Mann starb. Zurück blieb ein Trümmerfeld aus Autowrackteilen. 

"Massiv selbstüberschätzend"

Eine Verkehrspsychologin hatte Hamdi H. als Autofahrer beschrieben, der "massiv selbstüberschätzend" unterwegs gewesen sei. Bei dem Rennen sei es ihm darum gegangen, "zu gewinnen und dadurch sein Ego aufzuwerten". Der Mann habe kein Bewusstsein für seine eigene Schuld. Zudem bestehe ein hohes Rückfallrisiko. Ähnlich sah dies auch das Gericht: Die verkehrsrechtlich bereits häufig aufgefallenen Angeklagten seien "Autofans, Schnellfahrer" und Teilnehmer illegaler Rennen, sagte Ehestädt. "Sie steigern ihr Selbstwertgefühl über das Kfz."

Einzelfallentscheidung

Das Gericht folgte mit der Entscheidung dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Richter Ralph Ehestädt sagte zu Beginn der Urteilsbegründung: "Es ist eine Einzelfallentscheidung." Es gehe nicht um eine Demonstration von Härte. Die Strafkammer habe sich am geltenden Recht orientiert und sei aus der Gesamtschau der objektiven und subjektiven Umstände zu dem Schuldspruch wegen Mordes gekommen. Die beiden Männer hätten es dem Zufall überlassen, ob und wie viele Menschen durch ihr Verhalten zu Schaden kommen. Der Vorsitzende wies darauf hin, die Summe der Tatumstände und die Persönlichkeiten der Angeklagten hätten in diesem Fall den Ausschlag gegeben. Der Fall sei nicht vergleichbar mit anderen Vorfällen im Straßenverkehr, die jüngst für Aufsehen gesorgt hatten.

Auch das Argument der Verteidiger, die Angeklagten hätten das Risiko ausgeblendet, greife nicht. "Auch der Raser bleibt ein Mensch der einen Kopf hat", so Ehestädt. Dass es bei einer höchstgefährlichen Fahrweise zu schlimmen Folgen kommen könne, sei auch Rasern klar.

Als juristisches Mordmerkmal erkannte das Gericht, dass in diesem Fall die Autos als Tatwaffe ein gemeingefährliches Mittel gewesen seien. Das von der Anklage angeführte Mordmerkmal niedriger Beweggründe sahen die Richter nicht.

Die Verteidiger der beiden Raser hatten auf Schuldsprüche wegen fahrlässiger Tötung für den einen Fahrer und wegen Gefährdung des Straßenverkehrs für den anderen plädiert. Sie argumentierten, der Vorsatz, an einem Rennen teilzunehmen, sei nicht mit einem Tötungsvorsatz gleichzusetzen. Die Männer seien davon ausgegangen, alles unter Kontrolle zu haben.

Sohn des Getöteten erleichtert

Das Gericht folgte mit seinem Urteil weitgehend den Anträgen der Staatsanwaltschaft. Ankläger Christian Fröhlich sagte, die enorme Geschwindigkeit mache den Fall so besonders. Er hoffe, dass sich andere Raser durch das Urteil abschrecken lassen. Ein Sohn des Getöteten zeigte sich erleichtert: "Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen – diese Signalwirkung war mir wichtig."

Bislang ergingen in ähnlichen Fällen in der Regel Schuldsprüche wegen einer fahrlässig begangenen Tat. Der tödliche Unfall in der Berliner City hatte die Debatte über härtere Strafen gegen Teilnehmer illegaler Rennen angekurbelt. Sie sind bislang als Ordnungswidrigkeiten eingestuft – geahndet mit 400 Euro Buße und einem Monat Fahrverbot.

Der Bundesrat beschloss im September 2016 einen Gesetzentwurf für deutlich härtere Strafen. Der Bundestag müsste allerdings noch zustimmen, damit der Entwurf Gesetz wird. (juli./kmi./kbi./dpa)