Prozess um Berliner „Ehrenmord“: Freispruch für jüngeren Bruder gefordert

Im Prozess um den Tod einer 34-jährigen Afghanin sehen die Verteidiger den Vorwurf des Mordes als nicht bewiesen. Sie sprechen von Tragödie und Unfall.

Geht es nach den Verteidigern von Mahdi H., dann wird ihr Mandant freigesprochen.
Geht es nach den Verteidigern von Mahdi H., dann wird ihr Mandant freigesprochen.Olaf Wagner/imago

Im Prozess um den gewaltsamen Tod einer 34-jährigen Frau haben die Verteidiger der beiden wegen gemeinschaftlichen Mordes angeklagten Brüder des Opfers ihre Plädoyers gehalten. Die beiden Anwälte des 27-jährigen Yousuf H. forderten am Donnerstag, ihren Mandanten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Haftstrafe von höchstens fünf Jahren zu verurteilen. Es habe sich um eine familiäre Tragödie, einen tragischen Unfall gehandelt, erklärten sie.

Die Verteidiger des 23-jährigen Mahdi H. verlangten an diesem 41. Verhandlungstag einen Freispruch für ihren Mandanten. Es gebe keine schlüssige Indizienkette, keinen Tatnachweis. Mahdi H. sei unschuldig am Tod seiner Schwester.

Die aus Afghanistan stammenden Angeklagten sollen ihre ältere Schwester Maryam H. am 13. Juli 2021 in Berlin ermordet haben – weil sich die Mutter zweier Kinder nicht mehr an die Moralvorstellungen ihrer erzkonservativen afghanischen Familie gehalten und sich nach ihrer Flucht nach Deutschland von ihrem gewalttätigen Ehemann getrennt haben soll.

Die Leiche der 34-Jährigen sollen die Brüder in einem Koffer mit dem Zug nach Bayern gebracht haben. Dort wurde sie auf einem Schuttablageplatz verscharrt. Als die Tote gefunden wurde, steckte ihr Kopf in einem Müllsack, Mund und Nase waren mit Panzertape umwickelt, zudem war der Frau ein tiefer Kehlschnitt zugefügt worden. Maryam H. starb durch Ersticken oder Erdrosseln.

Freiheiten wurden Maryam H. zum Verhängnis

Es sei den Angeklagten um Macht und Kontrolle über Frauen gegangen, sagte Nebenklagevertreter Roland Weber in seinem ebenfalls am Donnerstag gehaltenen Plädoyer. Er vertritt die zehn und 14 Jahre alten Kinder des Opfers. Maryam H. habe ein selbstständiges Leben führen wollen, sie habe sich die Freiheit genommen, auch mal auszugehen, Alkohol zu trinken oder das Kopftuch abzunehmen.

„Diese kleinen Freiheiten sind ihr zum Verhängnis geworden“, sagte der Anwalt. Er schloss sich der Forderung von Staatsanwältin Antonia Ernst an, die schon vor einer Woche für beide Angeklagte eine Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe wegen Mordes gefordert hatte.

Yousuf H. hatte im Prozess nach vielen Verhandlungstagen erklärt, seine Schwester bei einem Streit in der Wohnung seines jüngeren Bruders getötet zu haben. Er habe das nicht gewollt, Mahdi H. sei bei der Tat nicht dabei gewesen, so seine Einlassung. Daraufhin hatten die Anwälte von Mahdi H. zweimal beantragt, ihren Mandanten aus der Haft zu entlassen – weil er unschuldig sei.

Das wurde beide Male von der Kammer abgelehnt. Sie äußerten grundlegende Zweifel an der Einlassung von Yousuf H. Trotz des Geständnisses Anfang September sahen die Richter noch immer einen dringenden Tatverdacht gegen den jüngeren Angeklagten. Zudem sah die Kammer Anhaltspunkte dafür, dass die Tötung der Mutter von zwei Kindern durch den Familienrat in Afghanistan beschlossen worden sein könne.

Ein Urteil in dem Verfahren wird am 9. Februar erwartet.