Psychologe Michael Eid: Auf der Suche nach dem Glück

Berlin - Silvester verschenkt man sie gerne vierblättrige Kleeblätter, kleine Schornsteinfeger und Schweinchen aus Marzipan. Denn all diese Dinge stehen für das, was das neue Jahr bringen soll: Glück. Der Psychologe Michael Eid hat sich auf die Glücksforschung verlegt. An der Freien Universität Berlin untersucht er, was das subjektive Wohlbefinden ausmacht. Eines steht auf jeden Fall fest: Jeder Mensch kann zu seinem Glück selbst etwas beitragen.

Herr Professor Eid, Sie werden am Silvestertag 50 Jahre alt. Was sind denn Ihre Vorsätze für das neue Jahr 2014?

Ich habe mir vorgenommen, die Balance zwischen Freizeit und Beruf besser zu gestalten. Ich möchte mehr Dinge tun, zu denen ich in diesem Jahr nicht so oft gekommen bin, zum Beispiel meine Französischkenntnisse aufbessern, mehr Sport treiben.

Werden Sie dadurch zu einem glücklicheren Menschen?

Ich hoffe. Das sind Dinge, die ich gerne mache. Und wenn ich sie häufiger mache, steigert sich mein Wohlbefinden.

Was macht eigentlich Menschen glücklich?

Das ist sehr individuell. Positive soziale Beziehungen spielen aber eine ganz große Rolle. Menschen sind glücklich, wenn sie ihr Leben selbst gestalten können, Sinn im Leben finden, wenn sie ihre Stärken und Talente zum Blühen bringen können, wenn sie merken, dass sie sich als Person weiterentwickeln, wenn sie sich für Dinge engagieren, die ihnen am Herzen liegen.

Und dann gibt es das situative Glück, wenn man etwa ein schönes Geschenk bekommt, oder wenn man Dinge tut, die einfach Spaß machen. Wir haben das Problem, dass negative Ereignisse einen sehr viel stärkeren Einfluss ausüben, dass sie länger im Gedächtnis verhaftet bleiben, dass wir sehr viel mehr über schlechte Erfahrungen nachdenken als über positive Erlebnisse.

Und woran liegt das?

Das könnte damit zusammenhängen, dass wir darauf programmiert sind, uns auf Dinge zu fokussieren, die uns gefährden. Negative Gefühle zeigen uns auch an, dass unser Leben nicht so läuft, wie wir dies gerne hätten. Sie haben daher eine wichtige Funktion.

Gibt es ein Glücksrezept?

Nein. Aber es ist wichtig, mehr auf die schönen Dinge zu achten, die einem widerfahren, etwa ein gutes Gespräch. Man kann dies üben, indem man eine Woche lang abends drei positive Dinge des Tages aufschreibt. Außerdem ist es gut, öfter darüber nachzudenken, wofür man dankbar ist und dies in gewissen Abständen aufschreibt und vor allem auch anderen Menschen mitteilt, was man ihnen verdankt. Anderen etwas Gutes zu tun ist im übrigen immer ein guter Weg, das eigene Glück zu steigern.

Ist Geld wichtig?

Geld macht in gewissem Umfang glücklich, wenn es darum geht, einen grundlegenden Lebensstandard zu sichern. In Ländern, in denen das Einkommen sehr gering ist, hat Geld großen Einfluss darauf. Wenn man ein gewisses finanzielles Niveau erreicht hat, ist die Steigerung des Glücks jedoch minimal.

Ein Leben in Luxus ist doch eigentlich eine faszinierende Vorstellung.

Für mich ist materieller Überfluss keine faszinierende Vorstellung. Entscheidend ist, genug Geld zu haben, um die Dinge zu verwirklichen, die für einen wichtig sind. Menschen, die zu sehr auf das Materielle achten, sind weniger glücklich als jene, die mehr auf die Entfaltung ihrer menschlichen Bedürfnisse Wert legen.

Gibt es eine Begabung zum Glück?

Manche Menschen sind über einen längeren Zeitraum hinweg wohlgestimmt und haben eine größere Stabilität im Glückserleben als andere. Wir wissen, dass 30 bis 40 Prozent der Unterschiede genetisch bedingt sind. Aber auch die Umwelt und kulturelle Unterschiede spielen eine Rolle. Ganz intensive positive Gefühle werden etwa in Asien gar nicht so geschätzt, wo man eher das ruhige Glücksgefühl anstrebt.

Erwarten wir zu viel vom Leben?

Erwartungen sind wichtig, da sie unser Leben ausrichten, ihm ein Ziel geben. Allerdings sollte es realistisch sein. Wenn das Ziel nicht zu uns passt, uns überfordert, sollten wir es aufgeben. Man sollte mit dem zufrieden sein, was man kann und wie man ist.

Warum heißt es „glücklich verliebt“, aber nicht „glücklich berufstätig“?

Liebe ist an Glück gekoppelt, das Gefühl der Liebe kann gar nicht negativ sein. Der Berufsalltag ist natürlich gemischt. Und die positiven Erlebnisse am Arbeitsplatz sind nicht so präsent wie ein Liebesgefühl, das man sehr intensiv erlebt. Allerdings ist die Zufriedenheit im Beruf eine wichtige Voraussetzung für das Glück.

Muss man also erst mal so richtig am Boden gewesen sein, um die schönen Seiten des Lebens zu schätzen?

Das glaube ich nicht. Menschen können zwar durch sehr negative Erlebnisse in ihrer Persönlichkeit wachsen, aber man braucht solche schlechten Erfahrungen nicht für das Glück.

Wie glücklich sind eigentlich die Berliner?

Es gab jetzt wieder den Glücksatlas, wo man festgestellt hat, dass die Berliner im Mittel gesehen weniger glücklich sind, aber solche Rankings sind von begrenztem Nutzen.

Berlin gilt immerhin als die Hauptstadt der Depressionen.

Ich glaube nicht, dass Berlin depressiv macht. In Berlin muss man viele Faktoren wie die relativ hohe Arbeitslosigkeit berücksichtigen. Andererseits zieht die Stadt viele junge Leute an, die glauben, sich hier verwirklichen zu können. Bei den entsprechenden Rahmenbedingungen bietet die Stadt ein hohes Potenzial, glücklich zu machen.

Das Gespräch führte Thorkit Treichel.