: Queere Szene: Berliner Grüne fordern mehr Sichtbarkeit der queeren Szene
Berlin - Erst vergangenen Sonntag griff ein Mann in Tempelhof ein lesbisches Paar an und beleidigte die beiden Frauen homophob. Einen Tag zuvor besprühte ein Mann einen 58-Jährigen vor einer Schwulenbar am Schöneberger Nollendorfplatz mit Reizgas. Mehr als 380 homo- und transphobe Übergriffe auf queere Menschen verzeichnete die Berliner Opferberatungsstelle Maneo im Jahr 2018 in Berlin, 50 Fälle mehr als im Vorjahr. Die Dunkelziffer ist hoch.
Grüne ziehen Bilanz
„Wir sind die queere Hauptstadt Europas, die Menschen kommen hier hin, weil man hier so leben kann, wie man möchte. Und trotzdem kommt es immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen“, sagte Antje Kapek, Fraktionsvorsitzende der Grünen anlässlich der Regenbogenwochen, die am Freitag gestartet sind. Mit den Aktionswochen wollen die Grünen für mehr Sichtbarkeit für schwule, lesbische, bi-, trans- und intersexuelle Menschen sorgen und „Flagge für die LSBTIQ-Community zeigen“.
Zudem ziehen die Grünen nach fast drei Jahren Rot-Rot-Grün Bilanz. So wurde im September zum Beispiel das erste queere Jugendzentrum in Pankow eröffnet – ein Projekt aus dem Koalitionsvertrag.
Außerdem wurde für den Aufbau und die Inbetriebnahme der Krisen- und Zufluchtsunterkunft LSBTI für queere Menschen 2019 insgesamt 100.000 Euro zur Verfügung gestellt, die aus dem laufenden Haushalt der Landesdiskriminierungsstelle (LADS) gedeckt werden. Für den Doppelhaushalt 2020/2021 hat das LADS nun 160.000 Euro für dieses Hilfsangebot angemeldet.
In den Unterkünften finden Menschen aus der LSBTIQ-Community Zuflucht, die Schutz vor Zwangsverheiratung, sogenannter Gewalt im Namen der Ehre sowie häuslicher Gewalt wegen ihrer sexuellen Orientierung und/oder Geschlechtsidentität erfahren. Fünf Plätze wird es geben. „Vor allem für schwule Männer fehlten bisher bei drohender Zwangsverheiratung Hilfsangebote“, betonte Anja Kofbinger, queerpolitische Sprecherin der Grünen. Das bekannteste Beispiel ist Nassan. Der in Berlin geborene Junge sollte 2015 von seiner Familie, die aus dem Libanon kommt, zwangsverheiratet werden. Der Junge wehrte sich und flüchtete.
Fokus auf Gewaltprävention
Das Wichtigste sei aber noch nicht umgesetzt worden, sagte Sebastian Walter, ebenfalls Sprecher für queere Politik bei den Grünen. So hat das rot-rot-grüne Bündnis im vergangenen Jahr beschlossen, die „Initiative geschlechtliche und sexuelle Vielfalt (IGSV)“ neu zu starten, weiterzuentwickeln und zu verankern – ebenfalls ein Koalitionsprojekt, auf das die Grünen aber einen besonderen Blick richten möchten. Bei dem ressortübergreifenden Maßnahmenpaket liegt ein Schwerpunkt auf Gewaltprävention. „Aber es geht zum Beispiel auch darum, die Sichtbarkeit lesbischer Frauen zu unterstützen“, so Walter. Ein weiterer Fokus liege auch auf geflüchteten Menschen.
Kapek übte vor diesem Hintergrund auch scharfe Kritik an dem vorgelegten Entwurf zur Reform des Transsexuellen-Gesetzes der Bundesregierung. Es soll neue Regeln schaffen, wenn Transsexuelle ihr Geschlecht und ihren Namen in offiziellen Dokumenten ändern lassen möchten. „Ein Schnellschuss“, ein „Griff in die Tonne“, sei das gewesen, sagte Kapek. Der Entwurf von Justizministerin Katarina Barley (SPD) brächte keinerlei Verbesserungen, sondern nur Verschlechterungen mit sich. Die Novelle wird von Verbänden, Betroffenen und Aktivisten heftig kritisiert. „Es werde weiter an einem Gutachtersystem festgehalten, bemängelte die Grünen-Chefin. Zudem solle eine Anhörung des Ehepartners erfolgen.
Kritik an Bundes-SPD-Entwurf
„Das ist 20er Jahre, das geht gar nicht“, machte Kapek klar, „da werden wir nicht zustimmen“. Als Land Berlin habe im Bundesrat Mitbestimmungsrechte. Kapek kündigte an, die Koalitionspartner SPD und Linke dazu zu drängen, den Entwurf der Bundes-SPD ebenfalls abzulehnen. Stattdessen sollte jeder selbst und frei wählen können, welches Geschlecht man beim Standesamt angeben möchte. „Binär, männlich, weiblich oder dritte Option. Das kann doch nicht so schwer sein“, so die Grüne-Fraktionsvorsitzende.