„Radelmädchen"-Blog: Juliane Schumacher schreibt über das Radfahren in Berlin

Fahrradfahren in der Stadt ist Krieg, hat Juliane Schumacher in ihrem Buch geschrieben. „Doch manchmal möchte ich diese Formulierung nicht mehr benutzen“, sagt die 30 Jahre alte Berlinerin, die natürlich mit Pedalkraft zum Gespräch gekommen ist. Fahrradfahren in der Stadt ist Krieg: Sie steht zu ihrer Einschätzung, aber sie weiß auch, dass sie nicht immer passt. Nicht an Tagen wie diesen, wenn sich Sonnenlicht am Lenker spiegelt und kaum Gegenwind zu spüren ist. Auch wenn es immer wieder Ärger gibt: „Ich liebe es, durch Berlin zu fahren.“ Das ist die Botschaft der jungen Frau, die als „Radelmädchen“ einen Blog über das Radfahren in Berlin schreibt – eine Seltenheit in einem Bereich, in dem Männer den Ton angeben.

Ihre magischen Momente finden statt, wenn andere noch im Bett liegen. Ins frühe Morgenlicht hinaustreten und losradeln – Juliane Schumacher kann das genießen. Sie erinnert sich an die erste Erfahrung dieser Art. „Ich habe um sieben Uhr angefangen zu arbeiten. Von Lichtenberg zum Zoo waren es 12,5 Kilometer, rund 40 Minuten“, erzählt sie.

„Die Fahrten morgens waren unglaublich schön. Die Radwege an der Karl-Marx-Allee noch leer, am Tiergarten gab es eine besondere Stimmung, es wehte kühl heraus. Ich habe das sehr genossen.“ Als die Radfahrerin in dem Modegeschäft ankam, in dem sie arbeitete, war sie geschafft. „Aber ich hatte unterwegs viel Energie geladen.“ Herrlich.

Radfahren in Berlin kann anstrengend sein

Erlebnisse wie diese haben Juliane Schumacher zur Alltagsradlerin gemacht. Absehbar war ihr Werdegang nicht. Sie wuchs in Marzahn auf, wo es damals noch weniger Radwege gab als heute. „Obwohl das Gymnasium nicht weit weg lag, bin ich mit der Bahn dorthin gefahren.“

Erst als Juliane Schumacher nach Lichtenberg zog und an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Oberschöneweide ein Modedesign-Studium begann, änderte sich ihre Einstellung. Mit einem geschenkten alten Damenrad begann ihre Radlerinnenkarriere. Als 2014 ihre Masterarbeit anstand, kam ihr die Idee zu dem Blog. „Ich brauchte einen Anstoß zum Schreiben.“ So begann sie damit, im Internet Gedanken, Erlebnisse, Tipps und anderes zu notieren. „Erst sollte es in dem Blog nur um Mode gehen, die man beim Radfahren tragen kann, das war Thema meiner Masterarbeit. Doch bald lernte ich andere Blogger kennen, tauschte mich mit ihnen aus. Immer mehr Radthemen kamen dazu.“ Inzwischen gibt es auch ein Buch von ihr: „How to survive als Radfahrer“ – wie man als Radler überlebt.

Denn das ist natürlich auch zu erleben: Ärger, Frust, Gefahren. Sobald der Morgenzauber verflogen ist, kann es in Berlin anstrengend werden. „Wenn mich ein Auto knapp überholt und ich merke, dass der Fahrer eine Grundaggression hat. Wenn ich in der Kurve geschnitten werde. Dabei weiß ich: Hey, ich darf hier fahren!“ Immerhin: Einen Unfall habe sie bislang noch nicht gehabt, erzählt sie.

Warum gibt es nicht mehr Unfälle mit Autofahrern?

Wer bereitet ihr den größten Stress? „So, wie ich mich über viele Autofahrer aufrege, kann ich mich auch über viele Radfahrer und Fußgänger aufregen. Das ist vollkommen unabhängig vom Verkehrsmittel. Es ist eine Charaktersache.“

Gibt es sie, die oft beschworenen Kampfradler? „Ich weiß nicht, ob man sie so bezeichnen kann.“ Auf jeden Fall sei es so, dass sich eine große Zahl von Menschen offenbar nicht in andere hineinversetzen kann – Radfahrer nicht in Autofahrer, Autofahrer nicht in Radfahrer. Ihre Mit-Radler schont sie nicht. Juliane Schumacher schreibt von „Bekloppten, die sich immer am Rand zur wahnsinnigen Selbstzerstörung durch den Verkehr drängeln“. Und sie wundert sich, dass es „in Kombination mit den Dicke-Hose-Autofahrern nicht noch mehr schlimme Unfälle gibt.“

Noch heute empört sie sich über einen Regelverstoß, den sie vor Jahren in Berlin erlebt hat: Eine Mutter animierte ihr ebenfalls Radfahrendes Kind dazu, ihr bei Rot auf eine stark befahrene Kreuzung zu folgen. „Das hat mich echt schockiert, und ich habe das auch gleich gebloggt. Über die Frau kann ich immer noch aufregen.“

Auch auf dem Gehweg fahren muss mal sein

In ihrem Buch erlaubt sie sich, anderen Radfahrern Tipps zu geben. Gebt Handzeichen, bevor Ihr um die Ecke biegt! Vorausschauend fahren! Blickkontakt zu den Kraftfahrern suchen! Verkehrsregeln einhalten!

Doch wie es ist mit ihr? Ist sie schon mal bei Rot gefahren? „Ich versuche, das zu vermeiden. Aber ich will nicht sagen, dass ich das nie tue. Das wäre Unsinn“, sagt die Bloggerin, die inzwischen in Friedrichshain lebt und sich auch weiterhin keinen Führerschein zulegen möchte. „Morgens würde ich jedoch nicht im Traum darauf kommen, mich irgendwo durchzudrängeln. Bei starkem Verkehr ist es sinnvoll, alle Verkehrsteilnehmer zu koordinieren. “

Fährt sie auf Gehwegen Rad? „Ich weiß, dass es nicht richtig ist. Ich kann verstehen, wenn man sich aufregt.“ Wenn aber kurze Abschnitte nicht anders oder nur mit Umwegen oder Gefahren zu überbrücken sind, könne das passieren. „Doch ich achte auf mein Umfeld. Ich presche nicht an Fußgängern vorbei.“

In Hamburg ist es noch schlimmer als in Berlin

Juliane Schumacher findet es gut, dass so viele Berliner in die Pedale treten. „Doch ich muss auch feststellen, dass die Infrastruktur vielerorts nicht mehr ausreicht. Dass Wege zu schmal sind, schlechte Qualität haben, nicht überholt werden kann. Dass auf Radstreifen geparkt wird, grüne Wellen eine Seltenheit sind. “

Wie ist es woanders? „In Hamburg habe ich das Gefühl, dass die Radverkehrsanlagen noch schlechter sind als unsere. Viel schmaler, manchmal sind es nur Sandwege. Die Autofahrer sind aggressiver, zumal am Stadtrand.“ Am schlimmsten sei Stuttgart: Radinfrastruktur gebe es fast gar nicht, oder sie endet im Nirgendwo. „Und dann steht man da. So etwas habe ich nirgendwo sonst erlebt.“

Dann schon lieber durch Berlin radeln. „Ich weiß, wie hier gefahren wird. Ich kenne die Straßen, ich habe Heimvorteil. Deshalb fühle ich mich hier sicherer. Berlin ist meine Heimatstadt“, sagt Juliane Schumacher. Und schwingt sich auf ihr Faltrad.