Radfahren in Berlin: Was der Senat dafür tut, dass Berlin Fahrradstadt wird

Berlin - In einer lauen Frühlingsnacht durch den Tiergarten zum hell erleuchteten Brandenburger Tor fahren. An einem sonnigen Nachmittag auf der „Radel-Autobahn“ am Hohenzollernkanal mit Kraft in die Pedale treten. Oder einfach nur im Morgenlicht durch das eigene Wohnviertel gemütlich zum Schrippenholen radeln: Radfahren in Berlin kann schön und angenehm sein. Auch deshalb, weil es immer mehr Wege, Fahrradstreifen, Parkmöglichkeiten gibt. „Was der Senat bisher erreicht hat, ist schon eine Erfolgsgeschichte“, sagt Philipp Poll vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC).

Jetzt kündigt Staatssekretär Christian Gaebler die nächste Stufe der Umgestaltung Berlins zur Fahrradstadt an. „Vor der diesjährigen Sommerpause wollen wir die Fortschreibung der Radverkehrsstrategie in den Senat einbringen“, sagt der SPD-Politiker. Die Verwaltung hat große Pläne.

5,5 Millionen Euro stehen momentan jährlich bereit, um Radwege zu sanieren und neue Anlagen für den Radverkehr zu bauen – vor allem Extra-Spuren auf den Fahrbahnen. Künftig sollen die Ausgaben auf fünf Euro für jeden Berliner und jede Berlinerin steigen – das wären rund 17 Millionen Euro pro Jahr. Nach dem Strategie-Entwurf soll das bis 2017 geschafft sein. „Das ist das Ziel“, bekräftigt Gaebler.

Grüne Welle im Test

Der Senat will erreichen, dass 2025 etwa 18 bis 20 Prozent aller Wege in Berlin mit Pedalkraft zurückgelegt werden. „Eine ambitionierte, aber machbare Vorgabe“, sagt Gaebler. Er hält sogar noch etwas mehr für möglich. Derzeit seien es 13 Prozent, ADFC-Geschäftsführer Poll spricht von 15 Prozent. Zum Vergleich: Mitte der neunziger Jahre waren es lediglich sechs Prozent.

Dabei war Berlin früher schon mal eine Fahrradmetropole. Bis in die 1960-er Jahre gehörte das Sirren der Speichen und das Klingeln der Radglocken zur Symphonie der Großstadt. Aber dann setzte sich das Auto endgültig durch – und Radfahren war nur noch etwas für Kinder und Arme. Dass Verkehrsplaner Radlerbelange oft ignorierten und Fahrräder meist ziemlich unsexy aussahen, trug zum Abstieg bei. Heute gilt Radfahren wie vor 100 Jahren wieder als schick. Laut Senat gibt es pro tausend Einwohner 720 Fahrräder, aber nur 320 Autos. Staatssekretär Gaebler steigt ebenfalls gern in die Pedale, allerdings anders als bis vor kurzem meist nur noch an Wochenenden. „Natürlich vermisse ich es, mit dem Rad zur Arbeit zu fahren. Aber mit drei Aktenkoffern ist das jetzt schwierig.“ So oft es geht, versucht er, den Transport der Schriftstücke anders zu organisieren. „Nach einer stundenlangen Sitzung im Abgeordnetenhaus durch die Nacht nach Hause zu radeln – wunderbar.“

Gaebler gehört zu einer neuen Generation von Planern, die den Wert des Radfahrens betonen: „Es ist gesund, nachhaltig und nicht teuer.“ Letzteres gilt auch für Radverkehrsanlagen. „Deren Netz hat jetzt eine Länge von mehr als tausend Kilometern erreicht“, so seine Sprecherin Daniela Augenstein. 2000 bis 2011 wurden 25 Kilometer Radwege gebaut und fast 102 Kilometer Radstreifen markiert, dazu 18 Kilometer Straßen und Wege asphaltiert. Kosten: mehr als 27 Millionen Euro. Neue Radstreifen sind nun zum Beispiel für die Danziger, Warschauer, Turm- und Müllerstraße geplant. In der See- und der Lea-Grundig-Straße sowie in der Schönwalder Allee werden bald Radwege saniert.

Kein Radverkehrsbeauftragte mehr

Dem ADFC geht das immer noch zu langsam voran. In den Bezirksämtern fehle Personal, um die Planungen zügig zu verwirklichen, sagt Poll. Er kritisiert auch, dass es im Senat keinen Radverkehrsbeauftragten mehr gibt. Die neue Strategie findet er zwar gut, er ist aber gespannt, ob die Finanzplaner im Senat einer Ausgabensteigerung zustimmen – nachdem sie jüngst versucht haben, die jährlichen Ausgaben für die Radwegsanierung auf eine Million Euro zu halbieren.

Die Verwaltung lässt sich nicht entmutigen. Ihre Strategie sieht auch echte Neuerungen vor – zum Beispiel den Test einer grünen Ampel-Welle für Fahrräder oder das Modellprojekt „fahrradfreundliche Einkaufsstraße“ mit Transportrad-Verleih oder Radschnellwege für zügiges Vorankommen. Auch breitere Radstreifen sind geplant.

„Wachstumsvorsorge treffen“, ist das Motto. Denn der Radverkehr werde weiter ansteigen, sagt Martin Schlegel vom Bund für Umwelt und Naturschutz. „Das ist ein Megatrend. Und dabei wird es bleiben, weil Kraftstoff immer teurer wird.“ Der Senat sollte sich darauf einstellen: „Wer das ignoriert, ist blind.“

Am Mittwoch lesen Sie: Niemand ist nur Böse – ein Verkehrspsychologe über den Konflikt zwischen Rad- und Autofahren.