Radfahrer in Berlin: Wenn Gehwege Gefahrenzonen werden
Es gibt Tage, da kann Dietmar Sch. kaum noch an sich halten. Wenn der 72-jährige Pensionär mal wieder auf dem Gehweg beinahe umgeradelt wird, verspürt er nur noch einen Wunsch. „Am liebsten würde ich die Radfahrer mit roter Farbe bespritzen. Damit alle sehen, wie viele Zweirad-Rüpel es gibt“, sagt der Charlottenburger, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will.
Vor zwei Jahren ließ die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung rund 2 000 Berliner befragen, wie sicher sie sich als Fußgänger fühlen. 56 Prozent der Befragten empfanden Radfahrer als das größte Risiko. „Insbesondere Ältere fühlen sich durch die Nähe zu den Zweirädern sowie die teilweise rücksichtslose Fahrweise der Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer gestört“, hieß es.
Tod in Tempelhof
Bernd Herzog-Schlagk kennt solche Klagen. „Fußgänger und Radfahrer – das ist eine komplizierte Beziehung“, sagt der Bundesgeschäftsführer des Fachverbands Fußverkehr Deutschland, der in Berlin lebt. „Viele Fußgänger haben ein reales Unsicherheitsgefühl. Sie fühlen sich von Radfahrern belästigt, manchmal haben sie auch Angst.“
Allerdings: Es sei Unsinn, von bösen Rüpelradlern zu sprechen. Auch Radler gehen mal zu Fuß. „Es ist nur so, dass Menschen ihr Verhalten ändern, sobald sie auf einem Fahrradsattel sitzen.“ Auch gebe es leider Orte, wo durch planerische Entscheidungen Fußgänger und Radfahrer zusammengeführt werden – was dann meist zu Ärger führt. Beispiele sind gemeinsame Geh- und Radwege, von denen es in Berlin rund hundert Kilometer gibt (siehe Verkehrszeichen). Sie sollte es nicht mehr geben, der Verkehr getrennt werden, so Herzog-Schlagk. „Aber auch an Baustellen oder in Grünanlagen werden Konfliktbereiche geschaffen.“ Die Fußgängerlobby fordert, bei der Öffnung von Parkwegen für Fahrräder restriktiv vorzugehen.
Auch Andreas Tschisch, der bei der Polizei den Verkehrsbereich leitet, weiß um die Ängste der Fußgänger. „Vor allem Ältere erschrecken sich leicht“, sagt der Polizeioberrat. Zwar ist die Zahl der registrierten Unfälle zwischen Radfahrern und Fußgängern gering. 2013 waren es 426 – 0,3 Prozent aller Kollisionen. 30 Fußgänger wurden dabei schwer, 282 leicht verletzt. Von den 426 beteiligten Radlern hatten sich 338 gegenüber Fußgängern falsch verhalten.
Es gibt aber laut Tschisch „auch viele Beinaheunfälle und eine hohe Dunkelziffer“ – Fahrräder haben kein Kennzeichen, was eine Anzeige oft als aussichtslos erscheinen lässt. „Wir brauchen mehr Schwerpunktkontrollen, doch dafür fehlt Personal“, sagt er. Auch wäre es besser, wenn Radfahrer öfter über ihr Verhalten nachdenken würden. Auch sie geraten bei Unfällen mit Fußgängern in Gefahr: 2013 wurden 18 Radler schwer und 188 leicht verletzt. Ein Radfahrer starb sogar. Er war auf dem Tempelhofer Flugfeld einem Fußgänger in den Rücken gefahren.