Radverkehrsbeauftragter: Senat will keinen Fahrradbeauftragten
Berlin - Selbst die Rotweinstadt Ingelheim am Rhein hat einen Fahrradbeauftragten, Stuttgart, Mainz, Worms und viele andere deutsche Städte auch, die Radlermetropole Münster sowieso. Nur Berlin, das sich offiziell Fahrradstadt nennt, muss ohne einen solchen Mittler zwischen Radfahrern und Verwaltung auskommen – und das dauerhaft, wie der Senat jetzt auf eine Anfrage des Grünen-Fraktionsvizes Stefan Gelbhaar hin mitteilte.
Die seit einem Jahr verwaiste Stelle des Radverkehrsbeauftragten werde nicht mehr besetzt, gab Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) bekannt.
Müllers Botschaft war eindeutig: Ein Radverkehrsbeauftragter, wie es ihn von 2003 bis 2011 gab, werde in Berlin nicht mehr gebraucht. Schließlich habe der Fahrradverkehr „in Politik und Verwaltung kontinuierlich an Stellenwert gewonnen“.
Die Belange würden mittlerweile bei allen Verkehrsplanungen der Senatsverwaltung berücksichtigt, mehrere Mitarbeiter befassen sich mit dem Radverkehr. Im Beratungsgremium „FahrRat“ geben Verbände kritische Anregungen.
Viel Arbeit, kein Lohn
Die Stelle werde auch deshalb nicht mehr besetzt, weil es schwierig sei, geeignete Kandidaten ohne Vergütung zu finden, so Müller. Denn bislang handelte es sich um ein Ehrenamt, bei dem der Senat nur Sachkosten bezahlt hat – mehr nicht.
Viel Arbeit, kein Lohn: Das trug dazu bei, dass der zweite und bislang letzte Radverkehrsbeauftragte Arvid Krenz nicht in die Verlängerung gehen wollte, als sein Vertrag zum Ende der Wahlperiode im Herbst 2011 nach anderthalb Jahren automatisch endete. Der Aufwand war enorm, berichtete er.
Krenz nahm an vielen Gremiensitzungen teil, setzte sich mit Planern und Politikern auseinander und beantwortete Hunderte E-Mails. „Von der Menge her war das im Grunde nicht zu schaffen“ – zumal der Ingenieur für Verkehrsplanung auch noch das Geld zum Leben verdienen musste.
Berlin müsse einen hauptamtlichen Radverkehrsbeauftragten bekommen, forderte Eva-Maria Scheel vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). „Auf einer Vollzeitstelle“, sagte sie. „Das Ehrenamt hat sich nicht bewährt“ – auch weil Krenz und sein Vorgänger Benno Koch gegenüber der Verwaltung nicht weisungsbefugt waren.
Der Radverkehr steige stetig an, so die Landesvorsitzende. Ein Experte, der zwischen Radlern, Politik und Verwaltung vermittelt, sei unverzichtbar. Viele andere Städte und Bundesländer hätten Fahrradbeauftragte. In Frankfurt am Main kümmere sich mit dem Fahrradbüro sogar ein vierköpfiges Team von Hauptamtlichen um das Thema.
Ein ganzes Team für Frankfurt
Es war aber nicht nur die fehlende Entlohnung, die Krenz dazu bewog aufzuhören. Er erlebte auch, wie wenig Geld für den Radverkehr zur Verfügung steht und wie überlastet die Bezirksämter sind, die alle Planungen umsetzen müssen. Krenz: „Die Investitionen liegen deutlich hinter dem Bedarf zurück.“
„Ein Radverkehrsbeauftragter wird dringend gebraucht, um neue Ideen in die Verwaltung einzubringen“, sagte Gelbhaar. Zudem gebe es noch viel zu tun. So wurde das Ziel, die Zahl der bei Unfällen schwer verletzten Radfahrer um ein Drittel zu senken, nicht erreicht. Auch wurden von den Hauptradrouten bisher erst 35 Prozent ausgeschildert.
Auf vielen Teilstrecken fehlten noch bauliche Verbesserungen und Tempo 30. An BVG-Stationen gebe es zu wenig Abstellmöglichkeiten: Bis 2011 wurden gerade mal 1 100 Fahrradbügel aufgestellt.