Regierungserklärung in Berlin: Wowereit verspricht Hilfe für BER-Geschädigte

Berlin - So ein bisschen Demut steht ihm auch nicht schlecht. Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister von Berlin und eher bekannt für seine Angriffslust im Angesicht des politischen Gegners, versuchte sich am Donnerstag in der Rhetorik der Einsicht und der Zurückhaltung. Zumindest anfangs. „Ja, man kann es als Desaster bezeichnen“, was da beim neuen Flughafen BER in Schönefeld passiert sei, sagte er freimütig. Er wolle sich dafür „in Namen der Flughafengesellschaft entschuldigen“, sagte Wowereit in seiner Regierungserklärung im Abgeordnetenhaus, zwei Tage nach der überraschenden Absage der für den 3. Juni geplanten BER-Eröffnung.

Ruhig spricht der Regierende, er verspricht unbürokratische Hilfe etwa für betroffene Gewerbetreibende „auch jenseits von Rechtsansprüchen“, er kündigt „selbstverständlich auch Härtefallregelungen“ an. Auch den Schaden für die Politik bedauert er ausführlich: „Es ist Glaubwürdigkeit zerstört worden“, sagt Wowereit, immer noch in Büßerpose. Er räumt ein, als Chef des Aufsichtsrats von der Brandschutz-Problematik zwar gewusst zu haben. Sie sei aber immer als lösbar dargestellt worden, bis zum vergangenen Wochenende, als klar wurde, dass die Entrauchungsanlage nicht mehr rechtzeitig hätte getestet und abgenommen werden können. Sicherheit müsse aber oberste Priorität haben. „Wir mussten zwangsweise die Notbremse ziehen“, sagt Wowereit.

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Aber dann reicht es auch mit der Demut. Es gebe zwar einen Imageschaden, aber ob der dauerhaft sei, könne man noch nicht sagen. „Das großartige Flughafenprojekt darf auch nicht diskreditiert werden“, sagt Wowereit und seine Stimme wird nun lauter. Er beschwert sich, dass die Opposition den wirtschaftlichen Erfolg steigender Fluggastzahlen nicht anerkenne und löst damit Gejohle aus. Der Flughafen sei „bei allen Problemen nach wie vor eine Erfolgsgeschichte“, ruft Wowereit jetzt, und es folgt ein kollektives „Ooooh!“ im Saal. Doch der Senatschef lässt sich nicht beirren. Der BER werde ein „Referenzprojekt“, wenn er an den Start gehe, sagt Wowereit. Wann das sein werde, das sagt er nicht.

Pop fordert Wowereit auf, Verantwortung zu übernehmen

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Ramona Pop, bekommt die erste Chance zur Erwiderung und verblüfft den Saal mit einem Bekenntnis: „Unsere Stadt braucht einen leistungsstarken, internationalen Flughafen, der Berlin mit der Welt verbindet“, ruft sie. Pop hat erkannt, dass hier ein besonders wunder Punkt bei Wowereit liegt. „Wie kann es sein“, fragt sie, „dass ausgerechnet der Klaus Wowereit, der uns Grünen Infrastruktur-Feindlichkeit vorhält, nun das größte Infrastrukturprojekt der Region in den Sand setzt?“ Und sie stichelt weiter: „Verstehe ich Sie richtig, der modernste und tollste Flughafen sollte beim Brandschutz von Hand betrieben werden?“ Das ist wohl noch ein bisschen süße Rache vom Vorjahresfrust, als an Wowereits Veto die rot-grüne Koalition endgültig gescheitert war.

Pop fordert Wowereit auf zu klären, wer denn nun verantwortlich sei für die Verschiebung und die Folgen, was die Baukosten und den Schadenersatz angehe. „Irgendwie ist wieder keiner schuld gewesen“, sagt sie. „Sie sollten zu Ihrer Verantwortung stehen.“ Wenn sich Wowereit weigere, diese Aufklärung zu leisten, dann „werden wir unsere parlamentarischen Möglichkeiten zu nutzen wissen“. Das ist eine Drohung, notfalls einen Untersuchungsausschuss einzurichten.

Direkt auf die Grünen geht dann der Fraktionschef der SPD, Raed Saleh, los. Berlin habe von der größten Oppositionspartei mehr verdient als Häme, Spott und Schadenfreude, beschwert er sich. Um dann gleich selbst in Häme und Spott zu verfallen. „Was hätte denn eine Renate Künast in dieser Situation getan?“, fragt Saleh scheinheilig. „Hätte sie in der Nacht von Montag auf Dienstag die Entrauchungsanlage persönlich repariert?“ Die Anspielung sitzt, denn sie bezieht sich auf das dauernde „Anpacken“-Mantra der ehemaligen grünen Spitzenkandidatin.

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Udo Wolf, Fraktionschef der Linken, nimmt sich Frank Henkel vor, den CDU-Innensenator. Auch Henkel sitzt im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft und er sei ja, sagt Wolf, als Innensenator auch für Sicherheit und für die Feuerwehr zuständig. „Da frage ich den obersten Feuerwehrmann im Aufsichtsrat: Was war denn das Problem mit dem Brandschutz am Flughafen?“ Eine Antwort erwartet er freilich nicht.

Tegel droht Einschränkung des Nachtflugverbots

Wolf bemängelt, dass Wowereit in seiner Regierungserklärung keine der jetzt so dringlichen Fragen beantwortet habe: Was ist mit dem Flugplan? Wie sehr steigen die Kosten? Positiv sei nur, dass es jetzt mehr Zeit gebe, den Lärmschutz am Flughafen zu verbessern. „Und verzichten Sie auch gleich auf den Flughafenknast“, fordert Wolf von Wowereit. Denn es ist geplant, für Asylbewerber ein umstrittenes Schnellverfahren auf einem exterritorialen Gelände am Airport abzuhalten. Grüne, Linke und Piraten lehnen das ab.

Die klarste Kabarettrede hält Oliver Höfinghoff von den Piraten. „Über Berlin lacht die Sonne, über Klaus Wowereit lacht die ganze Welt“, kalauert der 34-Jährige, der sich neuerdings einen punkigen lila Kurzhaarschnitt zugelegt hat. Wowereit solle einen Eröffnungstermin und die Mehrkosten nennen, ansonsten „geben Sie bitte den Aufsichtsratsvorsitz ab“, fordert Höfinghoff. Und er hat dann noch eine schöne Idee für ein anderes umstrittenes Infrastrukturprojekt der Stadt: „Erklären Sie doch bitte die A100 auch zur Chefsache“, bittet der Pirat den Regierenden Bürgermeister. „Vielleicht lässt sich die so noch erledigen.“

Der CDU-Fraktionschef Florian Graf konnte den Terminaufschub beim BER gerade noch „in höchstem Maße ärgerlich“ nennen, dann wurde er blass, stockte, weil offenbar sein Kreislauf versagte. „Mir geht es nicht gut“, sagte er, dann wurde er aus dem Plenarsaal geführt. Dort kümmerte sich neben anderen der Arzt Wolfgang Albers von der Linksfraktion um ihn. Es gehe Graf wieder besser, hieß es später, er lasse sich jetzt im Krankenhaus durchchecken.

Die Anwohner des Flughafens Tegel müssen indes mit noch größeren Lärmbelastungen rechnen als bisher. Die Fluggesellschaft Air Berlin drängt darauf, das Nachtflugverbot in Tegel einzuschränken. Airline-Chef Hartmut Mehdorn schrieb an Flughafenchef Rainer Schwarz: „ Schon heute bitten wir Sie, dringend zu prüfen, für diese Übergangsphase bei der Verlängerung von Tegel die Öffnungszeiten des Flughafens morgens und abends um je eine Stunde zu verlängern.“ Bisher gilt ein Nachtflugverbot von 23 bis 6 Uhr.