Regionalverkehr: Viele Pendler, volle Züge, keine Plätze
Strausberg - Detlef Bröcker ist froh, wenn 2016 vorbei ist. „Das war ein hartes Jahr“, sagt der Chef der Niederbarnimer Eisenbahn (NEB). Für viele seiner Fahrgäste auch – aus demselben Grund.
Seitdem zwischen Berlin, Strausberg und Kostrzyn in Polen neue Züge fahren, klagt die Kundschaft über volle Wagen und Verspätungen. Die Regionalbahnlinie RB 26 ist eine von mehreren Strecken in der Region, die von der Nachfrage überrollt werden – ohne dass ausreichend vorgesorgt wurde. Mit Hochdruck haben Bröcker und seine Planer eine Lösung gesucht, wie die Probleme zumindest gelindert werden könnten. Jetzt sind sie fündig geworden: Bei einigen Fahrten gibt es ab sofort mehr Plätze. Ende 2017 wird sich die Lage weiter bessern.
Wie viele Menschen passen in einen 44 Meter langen Dieseltriebwagen? Eine ganze Menge – wenn man eng zusammenrückt und auf Komfort verzichtet. Und das ist auf der Linie RB 26 die Devise, seitdem dort Fahrzeuge vom Typ Pesa Link fahren. Sie haben 140 Sitzplätze. Dagegen boten die bis Herbst eingesetzten Züge vom Typ Talent 156 Sitze.
Heute sind reguläre Sitzplätze oft Mangelware. Fahrgäste müssen stehen, obwohl nicht immer eine Haltestange in der Nähe ist. Andere nehmen auf Klappsitzen Platz, die vor den Türen angebracht sind. Es gibt schönere Arten zu reisen.
Mehr Fahrgäste, weniger Platz
Karl-Heinz Boßan, der sich als Unternehmensberater im Verkehrsgewerbe seit Jahren mit der Strecke befasst, sprach von „katastrophalen Unzulänglichkeiten“. „Diese Fahrzeuge sind für Massenverkehr völlig ungeeignet“, sagte Andreas Hauschild aus Buckow (Märkisch-Oderland). Viele Fahrgäste seien inzwischen auf die S-Bahn ausgewichen. „Man versucht ohne die NEB auszukommen. Es ist traurig, wenn die Leute so handeln müssen.“ Die Zahl der Fahrgäste, die pro Tag in die Züge der Linie RB 26 steigen, ist laut Bröcker von 5000 auf 4500 gesunken.
Ihm geht die Kritik nahe. Jahrelang bekam sein Unternehmen von den Fahrgästen Bestnoten – und nun das! Doch alles habe seinen Grund – auch dass auf der Strecke zur Oder nun kleinere Fahrzeuge fahren als früher. Es habe mit der Organisation des Regionalverkehrs zu tun. Im Auftrag der Länder gibt der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) den Zugbetreibern viele Details vor, etwa wie viele Plätze sie anzubieten haben. Seine Berechnungen waren aber schon Jahre alt, als die NEB 2013 von ihm den neuen Vertrag für Ostbrandenburg bekam. Man könnte es auch so sagen: Sie hinkten der tatsächlichen Entwicklung im Berliner Umland hinterher. „Nun müssen wir der Wirklichkeit Tribut zollen“, sagte Detlef Bröcker.
Vier neue Züge bestellt
Die Strecke ist kein Einzelfall. Obwohl die Region boomt, wurde vielerorts die Kapazität nicht erhöht. Ein weiteres Beispiel ist der Regionalexpress RE 2, der oft überfüllt ist. Anderswo wurden geräumige alte Doppelstockwagen durch moderne, aber kleine Triebzüge ersetzt. Das vom Bund gezahlte Budget, mit dem die Länder Regionalverkehr bestellen können, begrenzt den Spielraum für Angebotserweiterungen.
„Auf der Strecke nach Kostrzyn versuchten wir noch gegenzusteuern,“ sagte Bröcker. So stimmte der VBB zu, dass die Zugbestellung geändert und 2013 zwei größere Fahrzeuge geordert wurden. Doch für die Dreiteiler gibt es bis heute keinen Liefertermin, weshalb die NEB erneut umschwenken musste. Stattdessen sollen nun Ende 2017 vier weitere Zweiteiler in den Einsatz kommen, hieß es. „Dann haben wir genug Kapazität auf dieser Linie.“
Dank einer Zwischenlösung ist die Situation schon besser geworden. Ein Triebwagen-Doppel des Typs Talent, das insgesamt mehr als 310 Sitzplätze bietet, fährt morgens nach Berlin und nachmittags zurück. Bei einer anderen Fahrt am Nachmittag rollen Links zwischen Berlin und Müncheberg im Dreierpack, macht insgesamt 420 statt 280 Plätze. Möglich wurde dies, weil die NEB ihren Fahrzeugbestand vergrößert: Ein nach Nordrhein-Westfalen entliehener Talent-Triebwagen kehrt zurück.
Der Stress auf der RB 26 war „temporär“, sagte Bröcker. Der Protest der Fahrgäste hat sich gelohnt.