Reuterkiez in Neukölln: Mietshäuser könnten zwangsversteigert werden

Unter 300 Mietern in Neukölln geht die Angst vor Verdrängung um. Im Internet haben sie von der Zwangsversteigerung ihrer Wohnhäuser im Reuterkiez im Juni erfahren und wollen sich nun mit einer Erklärung in den sozialen Medien unter dem Namen „Unser Block bleibt“ wehren. Der Verkehrswert der insgesamt 14 Gebäude in dem Quartier Nansen-/Fram-/Pannierstraße belaufe sich nach Angaben der Mieter auf rund 15 Millionen Euro. Die fünf Grundstücke, die einer Erbengemeinschaft gehören, könnten jedoch noch für viel mehr Geld unter den Hammer kommen.

Die Bewohner befürchten teure Mieten, sollte ein neuer Investor die Wohnhäuser kaufen. Den Kreativen, deren Büros und Ateliers auf den rund 1 500 Quadratmetern des Innenhofs untergebracht sind, wurde im Mai bereits fristlos gekündigt. Auch Neuköllner Bezirkspolitiker sind alarmiert.

Kein Vertrauen in Milieuschutz

Für den Reuterkiez gilt seit vorigem Jahr der Milieuschutz, mit dem sozialer Verdrängung auf Grund drastisch steigender Mieten entgegengewirkt werden soll. An diesen Schutz glauben die Mieter des Wohnkomplexes jedoch nicht so recht. „Wird der Milieuschutz greifen?“, fragen sie in ihrer Erklärung und schreiben weiter: „Bei einem Verkehrswert von 15 Millionen Euro darf man ruhig das Schlimmste befürchten.“

Dazu gebe es überhaupt keinen Grund, entgegnet Florian Hintze, dem bereits jetzt zwei Drittel des Gebäudekomplexes gehören und der damit Mehrheitseigentümer der Gebäude ist. Er wolle die verbleibenden Anteile kaufen und damit die anderen Teilnehmer der Erbengemeinschaft auszahlen.

Eigentümer Hintze versucht die Wogen zu glätten: Es stünden keine großen Veränderungen im Wohnblock an, sagt er der Berliner Zeitung. Die geplanten Zwangsversteigerungen fänden im Zuge einer sogenannten Teilungsversteigerung statt. Die jetzige Erbengemeinschaft löse sich auf, einzelne Mitglieder müssten ausgezahlt werden. „Ich gehe davon aus, dass wir auch das letzte Drittel erwerben werden, da uns ja bereits zwei Drittel gehören. Es dürfte für Dritte schwierig sein, uns hier zu überbieten“, so Hintze.

Für die Mieter bedeute das Entwarnung. „Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung. Natürlich sollen die bestehenden Mietverhältnisse weiter geführt werden.“ Auch für die Kreativen im Innenhof bestehe demnach Hoffnung. Die fristlose Kündigung habe man wegen eines Mietrückstand von 18 Monaten ausgesprochen, erklärt Hintze.

Oscar Loeser, der ein Filmschnitt- und Produktionsbüro in den Gewerberäumen der Framstraße 7 betreibt, bestätigt das. Zusammen mit seinen Kollegen sei er zur Zeit Untermieter. Der Hauptmieter habe die Miete der vergangenen Monate offenbar nicht weitergeleitet. Bis Ende Juni können Loeser und die anderen Gewerbetreibenden bleiben, wie es dann weiter gehe, sei ungewiss.

Sollte Florian Hintze Alleineigentümer des Komplexes werden, möchte er die Gewerberäume sanieren. „Die Gebäude sind verwahrlost, einige von Ratten befallen“, so Hintze. Nach einer Sanierung könnte er die Räume wieder an Loeser und Co. vermieten. Bis Ende Juni veranstalten diese jeden Samstag Kunstaktionen, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen.

Der Verkauf großer Wohneinheiten in Milieuschutzgebieten war zuletzt auch Thema im Neuköllner Bezirksparlament. Der Bezirk könne bei einem Verkauf in Milieuschutzgebieten von einem Vorkaufsrecht Gebrauch machen, so Jochen Biedermann (Grüne). „Konkret würde das bedeuten, dass der Bezirk beim Verkauf eines Gebäudes im Milieuschutz interveniert und einer Wohnungsbaugesellschaft das Vorkaufsrecht zukäme“, so Biedermann. Die Fristen dafür seien vom Gesetzgeber allerdings so kurz gesetzt, dass ein Vorkaufsrecht ohne Vorbereitungszeit praktisch unmöglich sei, sagt Biedermann. Bei der Zwangsversteigerung im Reuterkiez bliebe den Wohnungsbaugesellschaften jedoch nichts übrig als mitzubieten. „Das ist schwierig, weil sie an andere wirtschaftliche Vorgaben gebunden sind als ein privater Investor“, so Biedermann. Sollte der neue Eigentümer den Gebäudekomplex an einen anderen Investor weiterverkaufen wollen, könnte der Bezirk jedoch versuchen, das Vorkaufsrecht anzuwenden.