Rigaer Straße 94 in Berlin-Friedrichshain: Monika Herrmann hat Angst vor der Eskalation

Berlin - Das linke Wohnprojekt an der Rigaer Straße 94 droht zum Wahlkampfthema zu werden. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Innensenator Frank Henkel (CDU) haben in dieser Frage gegnerische Positionen bezogen. Nachdem Müller gefordert hatte, neben repressiven Maßnahmen müssten sich Innenverwaltung oder Polizei mit gesprächsbereiten Mietern und Anwohnern um Deeskalation bemühen, bekräftigte Henkel am Dienstag erneut, dass das für ihn nicht in Frage kommt. „Ich halte diese Debatte für falsch und politisch gefährlich“, sagte er. Es würde auch niemand auf die Idee kommen, mit Rechtsextremisten zu verhandeln. „Der Rechtsstaat ist nicht verhandelbar.“

Doch die massive Präsenz der Polizei vor Ort hat nicht zur Entspannung beigetragen. Seit der Räumung der Kneipe Kadterschmiede sowie weiterer Räume ohne Mietvertrag vor fast einem Monat macht die autonome Unterstützerszene mobil, nachts werden wieder Autos angezündet und Fassaden beschmiert. Nun versucht die Szene bundesweit, für Demonstrationen zu mobilisieren und kündigt in einem Aufruf einen „schwarzen Juli“ an. „Ich bin sehr besorgt, dass sich das hochschaukelt. Es kann Tote geben“, sagt die Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann (Grüne). Mit der für den 9. August angekündigten Räumung des linken Szeneladens M99 in der Manteuffelstraße in Kreuzberg drohe der Konflikt weiter zu eskalieren.

„Henkels Konzept zieht nicht. Schon im Januar ist die Polizei in die Rigaer Straße rein. Er hat sich verrannt“, sagt Herrmann. „Müller hat jetzt versucht, den Innensenator zurückzupfeifen.“ Der Vorstoß des Regierenden Bürgermeisters sei zumindest ein Signal der Landesregierung. Herrmann sagt, auch sie wolle mit den Bewohnern ins Gespräch kommen und habe bei deren Anwalt angefragt. Die Polizei vermutet Straftäter im Umfeld der Bewohner. Sie müssten ermittelt werden, sagt Herrmann. „Aber das erreicht man durch Strafverfolgung, Beweissicherung, Festnahme – und nicht durch Polizeipräsenz.“

Auch Tom Schreiber, innenpolitischer Sprecher der SPD, sagt: „Es ist nicht nötig, mit 300 oder 400 Beamten vor Ort zu sein. Damit werden Kräfte gebunden, die gebraucht werden, um die Leute nachts auf frischer Tat zu schnappen.“ Schreiber, der in der linksextremen Szene verhasst ist, fordert einen runden Tisch. „Wir erleben eine zunehmende Gewaltspirale und eine sogenannte Empörungsspirale im politischen Raum“, sagt er. Die Polizei habe mit ihrem Konzept der ausgestreckten Hand am 1. Mai gute Erfahrungen gemacht. Henkel stehe mit seinen Äußerungen nicht für Abrüstung. Das sei kurzsichtig und trage dazu bei, den Konflikt zu politisieren. „Das hilft am Ende nur der AfD“, sagt Schreiber.

Das heißt für ihn nicht, dass mit gewaltbereiten Linksextremen oder Straftätern verhandelt werden soll. „Landes- und Bezirksebene müssen vor allem das Gespräch mit Anwohnern suchen.“ Bewohner der Rigaer Straße 94 seien zum Dialog bereit, sagt Canan Bayram (Grüne), deren Wahlkreis in diesem Kiez in Friedrichshain liegt. „Müller sollte Henkel die Zuständigkeit für die Polizei entziehen, damit er sie nicht weiter für seinen Wahlkampf instrumentalisiert“, sagt Bayram.

Rund 30 Menschen sind in dem Haus gemeldet, sie haben Mietverträge. Daher fragt sich CDU-Fraktionsvize Stefan Evers, worüber mit ihnen verhandelt werden soll. „Wir haben nichts anzubieten. Wenn die Bewohner Verträge haben, müssen sie keine Räumung befürchten.“ Und mit Straftätern seien Gespräche ausgeschlossen. Zudem habe der Hausbesitzer die Polizei angefordert, nicht Henkel. „Die Polizei kann nicht abziehen, ohne dass der Eigentümer Schaden nimmt.“