Rot-rot-grüne Senatsklausur: Berlin braucht dringend Fachkräfte
Müller in Sneakers und Freizeithemd, Pop im bunten Sommerkleid, Lederer im coolen Künstlerschwarz: Geht man rein nach Äußerlichkeiten, haben es die rot-rot-grünen Koalitionspartner während ihrer Senatsklausur am Sonnabend auf dem Euref-Campus locker angehen lassen.
Alle zehn Fachverwaltungen, die Senatskanzlei und die Fraktionsspitzen trafen sich in Schöneberg zu einer als "Arbeitsklausur" angekündigten Sitzung, um ein paar pressierende Themen voranzutreiben: Personalentwicklung, Verwaltungsabläufe, Wohnungsbaukonzepte und die Frage, wie man die erneut unrund laufenden Bürger- und Standesämter schnell in einen angemessenen Servicemodus bringt.
Senatschef Michael Müller (SPD), Kultursenator Klaus Lederer (Linke) und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) gaben am Nachmittag einen kleinen Überblick. Die Koalition plane ein "personalpolitisches Aktionsprogramm", um den künftigen Bedarf an Fachkräften zu decken, sagte Ramona Pop. Schließlich verlassen in den nächsten Jahren Zehntausende den öffentlichen Dienst in Richtung Ruhestand.
Berlins Beamte werden unterdurchschnittlich bezahlt
Zudem will der Senat den Personalbestand in der nach wie vor wachsenden Hauptstadt ausbauen und stellt allein in den kommenden zwei Jahren mehr als fünftausend zusätzliche Mitarbeiter ein. "Wir brauchen den Nachwuchs und wir wollen ihn haben", sagte Müller.
Weil in Berlins öffentlichem Dienst aber nach wie vor unterdurchschnittlich bezahlt wird und die Konkurrenz durch die zahlreichen Bundesbehörden groß ist, will der Senat mit einer Kampagne für das Land als Arbeitgeber werben. Müller skizzierte ein paar der Vorteile, die es herauszustellen gelte: Es werde ein sicherer Arbeitsplatz geboten mit hoher Planbarkeit, es gebe mehr als 80 verschiedene Berufsbilder und auch ohne Studium oder Abitur könne man einsteigen.
Der Senat plane zudem, Laufbahnen durchlässiger zu machen, also Karrierechancen zu verbessern. Zudem sollen Ortswechsel und auch der Austausch mit anderen Städten die Jobs beim Land attraktiver machen. "Für Berlin zu arbeiten ist ja etwas Schönes", erklärte Ramona Pop – die selbst seit gut einem halben Jahr für Berlin arbeitet.
"Viele große Würfe wurden schon versucht"
Das Thema Verwaltungsreform wollen die Koalitionäre zugleich möglichst pragmatisch angehen. Im Abgeordnetenhaus wird auf Vorschlag der FDP zwar bereits über eine neue Enquetekommission – besetzt mit Parlamentariern und Sachverständige – diskutiert. Deren Einsetzung wolle man aber nicht abwarten, sagte Müller.
Statt dessen werde der Senat noch im August eine "Steuerungsgruppe" einrichten, in der Experten aus Senatsverwaltungen und Bezirken konkrete, zügige Schritte für verbesserte Abläufe verabreden sollen. Man wolle Verfahren landesweit vereinheitlichen, etwa das zur Beantragung einer Anwohner-Parkplakette.
Zudem brauchten die geplanten milliardenschweren Programme zur Schulsanierung und zum Wohnungsbau effizientere Entscheidungsstrukturen. "Viele große Würfe wurden schon versucht", sagte Kultursenator Klaus Lederer. "Wir wollen vor allem zu schnellen handhabbaren Lösungen kommen." Genaueres gab es dazu vorerst noch nicht.
Aufregung um Radwege
Kein eigener Tagesordnungspunkt auf der Klausur war offenbar die jüngste Aufregung um zugunsten eines Radwegs vernichtete Parkplätze direkt vor Müllers Haustür in Tempelhof. Der Regierende Bürgermeister hatte sich – in seiner sonst unauffällig interpretierten Funktion als Wahlkreisabgeordneter – öffentlich darüber beschwert.
Er machte in einem Brief an seine Nachbarn die grüne Verkehrsstadträtin Christiane Heiß persönlich dafür verantwortlich, dass der Bezirk Tempelhof-Schöneberg ohne Ankündigung eine Einbahnstraße für Radfahrer in beiden Richtungen freigegeben habe – wobei acht Parkplätze verloren gingen. "Ich stehe zu den Beschlüssen der Koalition für eine bessere Fahrrad-Infrastruktur", sagte Müller am Sonnabend. "Mir geht es aber um eine kluge Umsetzung." Und hier seien Kompromisse möglich.
Den Vorwurf etwa der CDU, das Thema beschäftige ihn erst, wenn es direkt vor seiner Haustür Probleme gebe, wies Müller zurück. "Ja, ich bin jetzt darauf aufmerksam geworden – was ist eigentlich so schlimm daran?" Die Stadt brauche eben auch Parkplätze, insbesondere Familien müssten ihr Auto wohnortnah abstellen können, sagte er.
Die possenhafte Angelegenheit blieb am Wochenende ungeklärt. Aus dem grünen Lager der Koalitionäre kam nur noch der diskrete Hinweis, das örtliche Verkehrskonzept sei in der rot-grünen Bezirkskoalition gemeinsam beschlossen worden. Vielleicht muss sich der Bezirksbürger Müller doch noch einmal an seiner Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD) wenden.