Der Juli war zu kühl
Die einen nennen es „Schaukel-Sommer“, die anderen sprechen von „Wohlfühl“-Temperaturen. Kühl war der Juli auf jeden Fall.

Berlin-Mit 19,2 Grad Celsius Durchschnittstemperatur war der Juli 0,6 Grad kälter als im langjährigen Monatsmittel (19,08 Grad). Das lag natürlich auch am Sonnenschein, der Berlin nur 222 Stunden lang beehrte. Das langjährige Monatsmittel liegt bei 243 Stunden. Dennoch war Berlin nach Auswertung des Deutschen Wetterdienstes im Juli noch die wärmste Region Deutschlands. Bei den Regenmengen blieb die Hauptstadt mit 46,08 Litern pro Quadratmeter unter dem Soll von 60 Litern.
Dabei hatte es am 20. Juli tüchtig gewittert. Aber nicht in allen Teilen der Stadt, der Süden ging leer aus, nur im Nordosten gab es heftige Gewitter mit Sturmböen. Die Feuerwehr war im Ausnahmezustand, musste rund 300 zusätzliche Einsätze bewältigen. Ein Sprecher beschrieb, dass wie in einer Schneise etliche Bäume umgestürzt seien. Auf die Gleise der S-Bahnlinie 7 krachte in Marzahn ein Baum, der Zugverkehr musste unterbrochen werden. In Lichterfelde wurde ein Mann verletzt, als ein Baum auf sein Auto stürzte.
Trotzdem: „Ein ganz normaler Sommer“, beurteilt Arne Reusch, Meteorologe bei der Niederlassung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Stahnsdorf (Potsdam-Mittelmark), die Wetterlage. Bezogen auf die Temperatur gibt es keine Auffälligkeiten. Das Jahr 2020 zeige demnach einen für Deutschland typischen Sommer. Die Regenschauer seien mit rund 40 Litern pro Stunde sehr kräftig, aber nicht außergewöhnlich gewesen. Keine Hitzewellen, keine Tropennächte, stattdessen schlaffreundliche nächtliche Abkühlung, Wohlfühl-Temperaturen also.
Besonders um die Monatsmitte war es auch tagsüber bibberkalt, ein Wolljäckchen stets vonnöten. Den Höhepunkt lieferte die Nacht vom 14. auf den 15. Juli, bei nur 10,04 Grad zog mancher im Bett bereits wieder die dicke Daunendecke über sich.
Tagsüber bewegte sich das Thermometer in diesen Tagen um die 20 Grad. Erst nach dem 17. wanderte die Temperatursäule Stück für Stück nach oben, bis zum 19., dem mit 30,08 Grad heißesten Tag des Monats.
Aber warum kam uns dieser Sommerverlauf dann so kühl vor? Dipl.-Met. Marcus Beyer (DWD) erklärt, dies liege vor allem an den beiden Vorjahren. Studien haben gezeigt, dass sich der Mensch sehr rasch an die neue Normalität gewöhnt. Gibt es mehrere Jahre mit einer deutlich wärmeren Temperatur, dann wird dies in der Psyche des Menschen als neuer Standard definiert. Kommt dann einmal ein durchschnittliches Jahr, wird dieses als ausgesprochen kühl empfunden.
Meteorologen-Kollege Markus Übel fügt hinzu: „Auch wenn dies sehr individuell ist, wird eine gefühlte Temperatur zwischen 0 und 20 Grad als behaglich eingestuft, da der Mensch (angemessene Kleidung vorausgesetzt) üblicherweise wenig Energie aufbringen muss, um den Wärmehaushalt des Körpers im Gleichgewicht zu halten. Verlässt der Mensch seine Komfortzone, was bei zunehmender Abweichung eine Belastung für Herz und Kreislauf darstellt, spricht man von Kältestress oder Wärmebelastung.“ (Mit dpa)