Rücksichtslos und rüpelhaft: Die Kampf-Radler machen Berlin unsicher

Zuerst einmal: Ich fahre im Allgemeinen Fahrrad. Auch bei Regen. Und bei Sonne soundso. Aber es gibt Situationen, da steht man dann doch an einer Trambahnhaltestelle, vor sich die Straße, hinter sich auf dem Trottoir die weißen Linien, mit denen der Fahrradweg um die Haltestelle herum geleitet werden soll. 

Man lehnt dann so gemütlich die Zeitung lesend am Mast – und wutsch, fast ist die Zeitung weg, so eng fuhr das Fahrrad vorbei. Meine Güte. Ist ja fast wie in diesen engherzigen Anti-Radfahrer-Leserbriefen, die immer wieder klagen über – und rutsch, der nächste.

Knapp vorbei, sei froh, scheint er noch zu rufen. Ich sehe schwarzes Anzugflattern und ein grell leuchtendes Rücklicht. Eigentlich ja ganz vernünftig, versuche ich mich zu beruhigen, auch am Tag, sind doch alles Vorurteile, die über Kampf-Radler – zisch, da kommt der nächste. Meine Ohren sausen, so nah. Und noch einer. Die ältere Dame, die gerade über die Straße wackelt, traut sich kaum auf die Rettungsinsel. 

Gut, also, ich bin ja nicht mehr ganz so zierlich gebaut, stelle mich also testweise an die äußerste Kante, genau an die weiße Linie. Kein Zentimeter drüber, will ja nicht provozieren, nur den Raum der Fußgänger markieren. Der nächste fährt mich mit wüstem Schimpfwort fast über den Haufen. Noch einer, diesmal immerhin ohne Schimpfwort. Jetzt ein ganzes Rudel, neben- und hintereinander.

Fällt Ihnen was auf?

Die Trambahnstelle scheint die beste Überholspur zu sein. Hinweg mit Euch, herumstehendes Gesindel. Auch als die Ampel auf Rot springt, wird sie im besten Fall einfach übersehen – dann bleiben die Herren wenigstens in einer kalkulierbaren Spur und drängeln sich nicht voll Karacho durch die Menschen auf dem Bürgersteig.

Fällt Ihnen was auf? Ich sehe nur Männer in diesem Tätermodus. Oft im eleganten Anzug, mit tollen Helmen und auf sehr guten Fahrrädern. Vielleicht trügt mich der Blick, siegen meine sozialneidischen Vorurteile, auch der Tageszeit und des Ortes wegen. Aber kurz nach 8 Uhr sind es wohl die Herren der Tat und Macht, die ökologisch korrekt und supersportlich Richtung Innenstadt auf dem Weg ins Büro sind.

Nicht eine Frau hat sich so gehen lassen, kein Mann mit Kindern, keiner, der irgendwie nett aussah. Und kein einziger etwas rundlich gebauter Mensch.
Leben die Smarten hier auf dem Bürgersteig die Aggressionen aus, die sie sonst am Lenkrad ihres Autos ausschimpfen? Die Wut auf den Chef, den Ärger über die Kinder, oder die Freundin, den Nicht-mehr-Freund, den zerkratzten Autolack?

Nein, der Fahrradweg ist nicht zu eng

Meine Güte, denk doch an die Kinder da drüben, will ich rufen, aber der Kerl ist schon vorbei. Sicherheitsabstände werden eh überschätzt, dass müssen die Kleinen lernen. Survival of the fittest und so.

Nein, der Fahrradweg ist nicht zu eng. Auf der breiten Straße fahren die gleichen Typen vor der haltenden Tram durch. Noch ganz schnell Überholen, bevor die Oma da den Weg verstellt. Und ein empörter Blick auf den Autofahrer, der Motorjaulend an das Ende der Tram steht.

Dabei sind beide sich in einem einig: Ich Kerl, ich darf, ich machs. Es gibt Momente, da finde ich die Einführung eines Nummernschildes für Fahrräder gar keine so dumme Idee. Und nehme mir fest vor, nie wieder bei Rot auf den Bürgersteig auszuweichen.