Die Bibliothek am Luisenbad ist so gut versteckt, dass ich zuerst in die Verwaltung gerate. Beide Gebäude befinden sich im Hinterhof, Seite an Seite mit der leise plaudernden Panke. Komisch finde ich es schon, dass ich keinen Empfangstresen sehe. Aber das Gesetz „Jeder Jeck ist anders“ gilt eben auch für Büchereien. Überall stehen Kisten voller Bücher, beschriftet mit den Namen von Schulen und anderen Einrichtungen. Was für eine Logistik. Es gibt nicht nur einen ÖPNV, sondern auch einen ÖBNV, einen öffentlichen Büchernahverkehr. Ein schöner Gedanke, dass jeden Tag Tausende von ihnen durch die Stadt fahren. Nachdem mich eine Mitarbeiterin auf meinen Irrweg aufmerksam gemacht hat, nehme ich die inneren ÖBNV-Bilder mit in die „echte“ Bibliothek.
Auf Augenhöhe mit dem Stadtboden
Allein schon wegen der Architektur ist die Bibliothek im Soldiner Kiez eine Wucht. Patina trifft hier auf klare Kante, altes Gemäuer auf Glas und Stahl. Obwohl man sich teilweise im Souterrain befindet, hat das Licht das Sagen, und das lustige Gefühl, sich auf Augenhöhe mit dem Stadtboden zu befinden, lässt mich zunächst das Suchen und Finden vergessen. Eine Schande wäre das bei dieser Auswahl, doch gilt in Bibliotheken eine eigene Zeit. Sie haben viel davon und verschenken sie großzügig.
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Vielleicht liegt das daran, dass Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hier ein so dichtes Gewebe bilden, dass die Übergänge nicht zu erkennen sind. Kurz bevor ich am selben Tag die Schiller-Bibliothek betrete, weil ein bestimmtes Buch dort auf mich wartet, lese ich auf einer Infotafel die Geschichte von Elise und Otto Hampel. Die Lektüre von Falladas Roman „Jeder stirbt für sich allein“ ist noch nicht lange her, doch mit den realen Vorbildern hatte ich mich wenig beschäftigt. Die Gedanken an dieses mutige Paar, das von 1940 bis 1942 mit Postkarten zum Widerstand gegen die Nationalsozialisten aufrief, begleiten mich in das verspielt verschachtelte Gebäude, das dennoch einen stillen Ernst ausstrahlt.
Wertvolle Orte der Konzentration
Er setzt sich fort in den Jugendlichen, die hier wie auch am Luisenbad über Papiere und Rechner gebeugt sitzen. Und immer, wenn ich mich über ihre Konzentration freue, wird mir aufs Neue klar, dass der Wert dieser Häuser ja nicht nur am Inhalt der Regale liegt. Sie sind Orte der Ruhe, für alle, die sie zu Hause nicht haben – oder die spezielle suchen, die man nur in Bibliotheken findet. Unabhängig davon, ob sie sich verstecken oder mitten im Stadtgetöse präsentieren.