Ryanair schickt Streikbrecher nach Berlin - Arbeitskampf in Schönefeld verschärft sich

Berlin - Eine gute Nachricht für Fluggäste in Tegel und Schönefeld: Nach mehreren Arbeitsniederlegungen wird  es  wie angekündigt nun erst einmal keine Streiks  an den  Berliner Flughäfen geben – zumindest bis Sonntagabend.  „Wir haben uns zu dieser Streikpause entschlossen, um den Arbeitgebern eine weitere Nachdenkpause zu gewähren“, sagte Enrico Rümker von der Gewerkschaft Verdi.  Er bekräftigte, dass der am Montag begonnene Streik an diesem Mittwochmorgen um 5 Uhr endet. Dabei hatte sich der Konflikt um höhere Löhne für das Bodenpersonal am Dienstag erneut verschärft: Ryanair und andere  Fluggesellschaften setzten Streikbrecher ein, um  einen Teil ihrer Flüge zu ermöglichen.  Die Arbeitgeber schlagen eine Schlichtung vor, aber Verdi zeigte sich skeptisch.

Dass Ryanair-Chef  Michael O’Leary kein Freund von Arbeitnehmervertretungen ist, hat der Ire schon mehrfach unter Beweis gestellt. „Wir erkennen die Piloten-Gewerkschaft nicht an, deswegen machen sie uns Probleme, also sollen sie zur Hölle fahren“, sagte er in einem Interview.  Nun zeigte die Fluggesellschaft, dass sie offenbar auch mit dem Streikrecht Probleme hat.

 Am Montagnachmittag brach ein Ryanair-Flugzeug leer von Schönefeld nach Dublin auf, um  irisches Abfertigungspersonal von dort zu holen. Der Start hatte sich wegen des Streiks der Bodenverkehrsdienste um  drei Stunden verzögert. Kurz vor 23 Uhr kam die Maschine wieder in Schönefeld an – mit Mitarbeitern, die Flugzeuge abfertigen und Fluggäste einchecken sollten.  Mit dem eingeflogenen Personal sollten am Dienstag zwölf Flüge abgewickelt werden – ein Zehntel des Ryanair-Angebots in Berlin.

Von dem Streikbruch hatte die Gewerkschaft Verdi schon am Tag zuvor Wind bekommen. Am Dienstag waren rund 500 Verdi-Mitglieder in Schönefeld, um  zu protestieren. „Schon um 4 Uhr waren 200 Kollegen hier, viele kamen aus Tegel. Die Zahl der Streikposten wurde von drei auf 50 erhöht“, sagte Rümker.

„Hauptstadt als Geisel gehalten“

Trotzdem konnte Verdi  nicht verhindern, dass Fluggäste bei Ryanair eingecheckt und Flugzeuge mit dem irischen Harfen-Emblem abgefertigt wurden. „Es handelt sich  um Ryanair-Personal“, erklärte Rümker. Die Gewerkschaft  kündigte an, den Einsatz der Arbeitskräfte beim Luftfahrt-Bundesamt anzuzeigen. Die Sicherheit der Passagiere sei bedroht, so der Verdi-Sekretär: „Personal aus dem Ausland ist  ohne Sicherheitsüberprüfung mit schnell ausgestellten Tagesausweisen auf dem Schönefelder Vorfeld tätig.“

„Die Behauptungen der Gewerkschaft sind falsch, und ihre Mitglieder haben keine Berechtigung, den Flughafen und das Vorfeld zu betreten, wenn sie nicht arbeiten“, entgegnete  Kenny Jacobs, Chief Marketing Officer bei Ryanair.  „Es ist eine Schande, dass die Reisepläne von Berliner Passagieren und Berlin-Besuchern von einer geringen Anzahl des Bodenpersonals beeinträchtigt wird, die Deutschlands Hauptstadt als Geisel hält.“ Ryanair forderte die deutsche Regierung auf, einzugreifen und zu verhindern, dass die Reisepläne weiterer Fluggäste beeinträchtigt werden.

Genau mit diesem Ziel – weitere Beeinträchtigungen der Kunden zu verhindern – sei die Fluggesellschaft am Dienstag selber tätig geworden und habe „voll ausgebildete und befugte Mitarbeiter des Bodenpersonals eingesetzt, um unsere Flugzeuge in Schönefeld planmäßig abzufertigen“, sagte Jacobs. Auch andere Airlines hätten so gehandelt.

Das könnte das Verfahren in die Länge ziehen.

„Wer Streikbrecher einfliegt, tritt nicht nur die Rechte der Streikenden mit Füßen, hier werden auch Profitinteressen über die Sicherheit der Passagiere gestellt“, sagte die gewerkschaftspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Jutta Krellmann. Parteichef Bernd Riexinger sprach von einer „barocken Dreistigkeit der Arbeitgeber“.

Es sei eine Situation eingetreten, vor der Verdi ausdrücklich gewarnt habe, teilte Enrico Rümker mit.  Die bisherigen Arbeitsniederlegungen seien 18 Stunden vorher angekündigt worden – aus Rücksicht auf die Fluggäste, die sich auf die Streiks einstellen und Alternativen suchen konnten. „Wenn nun Streikbrecher eingesetzt werden, ist es uns nicht mehr möglich, weitere Streiks vor Beginn anzukündigen“, so Rümker.

 Diese seien ab der kommenden Woche nicht ausgeschlossen, denn im Streit um höhere Löhne für Gepäckverlader, Flugzeugabfertiger, Check-In-Mitarbeiterinnen und weitere Berufsgruppen sei weiterhin kein Kompromiss in Sicht. Zwar haben die Arbeitgeber am Dienstag eine Schlichtung vorgeschlagen.    „Die Positionen liegen derzeit so extrem weit auseinander, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt eine Schlichtung als einzigen Weg sehen, zusammen mit der Gewerkschaft eine für beide Seiten vertretbare Lösung zu finden“, sagte ein Sprecher der Arbeitgeber  in Berlin. Doch bei Verdi ist man derzeit skeptisch, ob sich mit einer Schlichtung rasch ein Durchbruch erzielen lässt. „Wir müssen das erst einmal bewerten“, hieß es dort. Frühestens an diesem Mittwoch könnte es eine offizielle Reaktion geben.

Problem sei, dass es  keine Schlichtungsvereinbarung gebe, sagte ein Gewerkschafter. Das könnte das Verfahren in die Länge ziehen. Dabei drängen die Verdi-Mitglieder beim Bodenpersonal darauf, rasch zu einer Verbesserung zu kommen, so sein Bericht.  Dem Vernehmen nach planen die Arbeitgeber momentan kein substanziell verbessertes Angebot – dabei hatte die Gewerkschaft eine solche Offerte gefordert, um an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Woanders gibt es mehr Geld

Offenbar ist die Front der Arbeitgeber aber keineswegs geschlossen. Während zum Beispiel die Wisag Ramp Service an dem harten Kurs gegenüber Verdi festhalten will, könnten sich andere Unternehmen  Lohnerhöhungen von bis zu 15 Prozent vorstellen. Die Gewerkschaft verwies darauf, dass an anderen Flughäfen Einkommensverbesserungen für das Bodenpersonal vereinbart wurden – in Stuttgart etwa summiert sich das Lohnplus auf 15,2 Prozent. Was woanders erreicht wurde, müsse auch in Berlin möglich sein, teilte Verdi mit.

Verdi fordert für die rund 2 000 Beschäftigten des Berliner Bodenpersonals pro Stunde einen Euro mehr – aufs Jahr gerechnet ist das eine Erhöhung von rund zehn Prozent. Der Allgemeine Verband der Wirtschaft, der die Bodenverkehrsdienstleister vertritt, bietet weiterhin acht Prozent an – verteilt auf drei Jahre. „Permanente Streiks und verhärtete Fronten sind keinem länger zumutbar“, bekräftigte ein Sprecher der Arbeitgeber. „Der Aufruf zur Schlichtung zeigt, dass die Arbeitgeber alles tun, um weitere Arbeitskämpfe zu verhindern und die Verhandlungen wieder auf einen konstruktiven Weg zu führen.“

Für die Person des Schlichters seien einige Namen im Gespräch. Der von Matthias Platzeck gehört dem Vernehmen nach nicht mehr dazu. Zwar habe sich der frühere Brandenburger Ministerpräsident und SPD-Politiker in anderen Branchen wie der Bahn als Schlichter bewährt, hieß es.  Doch weil Platzeck auch beim Pannenprojekt BER involviert war und die Privatisierung der Bodenverkehrsdienste mitgetragen hatte, sei er für diesen Konflikt eher nicht geeignet. (mit AFP)