S-Bahn-Werk Friedrichsfelde: Ein Dank an die DDR-Mangelwirtschaft
Berlin - Manchmal haben Katastrophen auch etwas Gutes. Für die S-Bahn-Krise gilt das auf jeden Fall. Als das einst so zuverlässige Verkehrssystem 2009 mehrmals spektakulär zusammenbrach, wuchs der Druck auf die Deutsche Bahn (DB), deren Manager die Sparbefehle gegeben hatten. Und so geschah etwas, was es in dem bundeseigenen Konzern bisher noch nie gegeben hatte und auch sonst selten ist: Ein geschlossener Betrieb wurde wieder aufgemacht. Eine späte Einsicht. Heute kann sich niemand bei der DB mehr vorstellen, wie die S-Bahn ohne das Werk Friedrichsfelde auskommen könnte. „Na klar, es wird gebraucht“, sagt Leiter Tobias Fischer. Am Freitag, vier Jahre nach den Höhepunkten der S-Bahn-Krise, gab es dort einen Ortstermin.
Es hört sich merkwürdig an, ist aber so: Dass es überhaupt zu der Wiedereröffnung kommen konnte, ist der DDR-Mangelwirtschaft zu danken. Als Denkmalschützer vor einigen Jahren die 1955 errichtete Kranhalle des Werks inspizierten, fiel ihnen die hölzerne Dachkonstruktion ins Auge. Sie waren begeistert. Denn hier hatten sie ein Beispiel dafür, wie sparsam in der DDR gebaut werden musste.
„Weil das Dach als besonderer Ausdruck der Materialarmut jener Zeit gilt, wurde das gesamte Werk unter Denkmalschutz gestellt“, erzählt Bauingenieur Sven Treptow, der heute den Ausbau leitet. Darum gelang es den DB-Strategen nicht, eine Abrissgenehmigung zu erhalten, nachdem sie das Werk Ende Mai 2006 stillgelegt hatten, um Kosten zu senken und den Gewinn zu mehren. Nur deshalb standen die drei Hallen noch, als sie im Januar 2010 reaktiviert werden sollten. Dank der DDR.
„Es war kalt. Sehr kalt“
Heinz Ehrlich war einer der S-Bahner, die bei der Wiedereröffnung dabei waren. „Damals standen die Hallen voll mit Museumszügen, und es war kalt. Sehr kalt. Die Heizung funktionierte nicht mehr. Wir haben uns warm gearbeitet“, erinnert sich der 38-jährige Elektroniker. Auch das Abwassersystem war kaputt: „Wir haben den Schnee, der von den Zügen fiel, mit Schubkarren nach draußen gebracht.“ Doch die alten Tafeln im Pausenraum waren noch da. „Wir sind wieder da!“ schrieb damals jemand mit Kreide darauf.
„Ich wollte unbedingt zurück“, sagt Ehrlich. „Nicht nur, weil ich in Hohenschönhausen wohne und Friedrichsfelde näher liegt als die Werkstatt in Wannsee, wo ich später arbeitete. Auch, weil ich dabei sein wollte, als es hier endlich wieder losging.“ Auch Heiner Wegner, der einst die Schließung miterlebte und später als Betriebsratsvorsitzender die Wiedereröffnung forderte, kehrte nach Friedrichsfelde zurück.
Im kalten Winter 2010 arbeiteten oft nur drei S-Bahner pro Schicht. Heute gibt es an dem Standort 65 Arbeitsplätze, davon 46 in der Instandhaltung. Ältere „Rückkehrer“ dominieren längst nicht mehr. „Das ist ein sehr junges Werk“, sagt Werkleiter Tobias Fischer. Das gilt übrigens auch für ihn: Er ist 38 Jahre alt.
Sparwahn hinterließ Altlasten
Unter einem Zug misst Julian Mohr Räder. „Es ist gut, dass es dieses Werk gibt“, sagt der 24-jährige Mechatroniker. Nicht nur, weil er dort einen Arbeitsplatz habe. Es sei auch gut für die Fahrgäste. Anders als die Werke Wannsee und Grünau liegt Friedrichsfelde innenstadtnah, mitten im Geschehen, an drei stark genutzten S-Bahn-Linien. Wenn ein Zug kaputt geht, hat er es nicht weit zur Reparatur. „Wir sind völlig ausgelastet“, so Mohr. Täglich verlassen 50 bis 60 Wagen das Werk. Es hat seit jeher gut zu tun. Trotzdem wurde es geschlossen – die Hauptwerkstatt Schöneweide sollte später folgen.
Es gibt aber immer noch Altlasten, die vom früheren Sparwahn zeugen. „Schon Jahre vor der Schließung wurde nicht mehr investiert“, sagte Richter. So wurden die Gleise so lange vernachlässigt, bis die östliche Zufahrt gesperrt wurde, auf der westlichen gilt Tempo 5. Nun werden sie nach und nach neu gebaut, nachdem der ölverseuchte Boden ausgetauscht worden ist. Die DB investiert mehr als 15 Millionen Euro.
Beim Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB), der den Verkehr bestellt und die Qualität misst, zieht man vier Jahren nach den Höhepunkten der S-Bahn-Krise eine verhalten positive Bilanz. „Es ist einiges erreicht und verbessert worden“, sagte die VBB-Sprecherin Elke Krokowski. Freitag waren 1036 Wagen im Einsatz, am 21. Juli 2009 waren es 330. „Doch die S-Bahn fährt immer noch nicht wieder die volle Leistung“, hieß es. Die Verstärkerzüge auf den Linien S 1 und S 5 verkehren weiterhin nicht, die Züge der S 45 und S 47 haben weniger Wagen als vereinbart. „Wir sind auch nicht zufrieden mit der Pünktlichkeit und der Fahrgastinformation bei Störungen“, so Krokowski. Es gebe noch einiges zu tun bei der S-Bahn.