Zwangsschließung der Geschäfte: Eine kleine Geschichte von Melli und Mike

Beim Spaziergang zeigt sich, wie Berliner Ladenbesitzer unter den Corona-Schließungen leiden. Neben Wut und Verzweiflung zeigt sich lakonischer Witz.

Kneipenweisheit: Die ganze Corona-Wahrheit in einem einzigen Satz.
Kneipenweisheit: Die ganze Corona-Wahrheit in einem einzigen Satz.Berliner Zeitung/Jens Blankennagel

Berlin-Da ist diese Eckkneipe, in der ich noch nie war. Ich weiß gar nicht, warum nicht. Früher, als dort im Sommer immer die Tür offen stand, war die Kneipe für mich nicht interessant. Vielleicht zu eckkneipig, zu verraucht, zu irgendwie. Oder es hat mich gestört, dass sie nach ihrem Besitzer Mike benannt ist. Egal.

Jetzt, da alle Kneipen dicht sind, gehe ich jeden Morgen dort vorbei und sehe diese große Tafel, auf der Mike früher bestimmt den aktuellen Bierpreis angepriesen hat. Nun steht dort mit weißer Kreide: „Öffnungszeiten: Wenn nicht mehr zu ist, dann ist wieder offen! Bis die Tage. Mike.“

Bei dieser Art von trockenem Berliner Humor bekomme ich gleich Durst und würde glatt bei Mike ein Bier trinken. Geht aber nicht: Erstens habe ich gerade erst das Kind zur Halb-Beschulung gebracht, zweitens ist es somit noch früh am Morgen und ich muss erst mal arbeiten, und drittes ist die Kneipe von Mike nun mal geschlossen.

Mike war auch an einem der Kneipenfenster sehr kreativ und hat dort eine gut sichtbare Ausladung platziert. Auf einem Zettel steht: „Hallo Einbrecher!!! Bei uns gibt es zurzeit leider nichts zu holen. Wenn Sie aber Name, Adresse bzw. Telefonnummer hinterlassen, melde ich mich bei Ihnen, wenn die Geschäfte wieder besser laufen.“

Wenn ich sehe, wie würdevoll-lakonisch Mike damit wohl auf einen vorherigen Einbruch reagiert, würde ich glatt noch ein Bier bei ihm trinken. Aber, wie gesagt …

Zwei Ecken weiter ist der Blumenladen von Melli. Auch sie hat ihre Botschaft ans Fenster gehängt. Sie entschuldigt sich, dass sie nicht öffnet. Erstens sei die Rechtslage schwammig und Abholservice an der Tür bringe bei Blumen nur einen Verdienst von zwei Euro pro Stunde. Sie könne ihren Laden nun mal nicht mit Ware für Hunderte Euro bestücken, die sie dann verramschen oder verschenken müsse. „Corona schließt keine Geschäfte“, schreibt Melli. „Das macht nur die Politik.“

Zum Abschluss steht da: „Bleibt frohen Mutes, verständnisvoll und hilfsbereit euren Mitmenschen gegenüber. Wir sehen uns (hoffentlich bald) wieder. Eure Melli.“

Auch Melli will nicht, dass Einbrecher in ihrer Abwesenheit in ihren Laden einsteigen. Deshalb hat sie die Kasse so weit geöffnet, dass vom Fenster aus sehr gut zu sehen ist, dass dort kein Geld zu holen ist.

Vielleicht überstehen Mike und Melli diese Krise tatsächlich und öffnen irgendwann wieder ihre Läden. Dann gehe ich zu Melli und kaufe dort einen Strauß Blumen für Mike. Versprochen. Und es ist mir schnurzegal, dass dieser lakonische Eckkneiper vielleicht gar keine Blumen mag.