Schönen Frauentag, ihr Männer!
Unsere Autorin hat sich noch nicht an den neuen Berliner Feiertag gewöhnt. Anders als die Männer, mit denen sie sich verabreden will. Ein Kommentar.

Am Freitag fragte mich eine Freundin, was ich nächsten Mittwoch mache. Was soll ich machen?, fragte ich. Arbeiten. Sie sah mich verwundert an und teilte mir mit, dass am Mittwoch Frauentag ist und wir ja frei haben.
Stimmt!, rief ich. Es fiel mir wie Schuppen von den Augen: Frauentag ist Feiertag! Wie konnte ich das vergessen! Und nicht das erste Mal! Im letzten Jahr war ich genauso überrascht. Und im vorletzten auch. Ich überlegte, woran das liegen könnte. Daran, dass ich gerade in Israel lebte, als der Beschluss gefasst wurde, und die ganze Diskussion an mir vorbeiging? Oder an der Pandemie, am Homeoffice, als Wochen- und Feiertage, Arbeit und Feierabend ineinander übergingen? Oder war es einfach nur ungewohnt? Dass der 8. März plötzlich frei ist, für alle?
Mit dem Trabi zur Schule
In der DDR, dem Land, aus dem ich komme, war der Internationale Frauentag ein besonderer Tag, das schon. Am 8. März brachte ich meiner Lehrerin Blumen mit und malte ihr eine Karte. Meine Mutter, die selbst Lehrerin war, musste mit ihrem Trabi zur Schule fahren, um all die Sträuße nach Hause zu bekommen, die sie von ihren Schülern geschenkt bekam. Unser Wohnzimmer sah aus wie ein Blumenladen. Nachmittags ging meine Mutter zur Frauentagsfeier, dem eigentlichen Höhepunkt des Tages.
Ich selbst habe von dem DDR-Ritual nicht mehr viel mitbekommen. Keine Betriebsfeiern, keine Blumensträuße. Außerdem war es eben ein staatlich verordneter Ehrentag. Wie der Lehrertag. Und der Tag des Kindes. Und der Pioniergeburtstag. All die Feier- und Ehrentage. Sie bedeuten mir nichts. Damals nicht und heute nicht. Trotzdem freute ich mich nun über den unverhofften freien Tag und schmiedete Pläne, was ich machen könnte. Eine Runde Tennis spielen. Mit einer Freundin frühstücken gehen. Aufs Wochenendgrundstück fahren. So was.
Die Woche begann. Es gab viel zu tun. Mehrere Kollegen fehlten. Frauen und Männer. Sie hatten den 8. März als Brückentag genutzt, um eine Woche Urlaub zu machen. Auch das fiel mir wieder ein, all die Artikel, in denen empfohlen wurde, um welche Feiertage herum man seinen Urlaub legen soll, um so viel wie möglich davon zu haben. Ich lese diese Artikel jedes Jahr, bewundere die Leute, die sich danach richten, schaffe es am Ende aber doch nie, weil ich keine Frühbucherin bin.
Der Chef hat am Frauentag frei
Wenigstens beschloss ich, mir Mittwoch frei zu halten. Eine halbe Stunde hielt ich durch. Dann wollte ich mich zu einem Interview verabreden. Mit einem Mann. Ich schickte ihm verschiedene Terminvorschläge. Montag- oder Dienstagnachmittag, und ja, im Notfall auch am Mittwoch, am Frauentag, ganztägig, falls er da zur Verfügung stünde.
Eine Stunde später rief mich seine Sekretärin an. Donnerstag würde passen, sagte sie.
Ich sagte, das sei eigentlich zu spät.
Die Sekretärin sagte, Dienstag sei ihr Chef komplett ausgebucht.
Und Mittwoch?, fragte ich vorsichtig.
Die Sekretärin antwortete, Mittwoch gehe nicht. Sie sagte es freundlich, aber ich glaubte, so einen Unterton herauszuhören, als hätte ich etwas Unzumutbares verlangt. Genauso ging es mir ein paar Stunden später noch einmal. Mit einem anderen Mann. Er wollte am Frauentag wandern gehen. Wieder fühlte ich mich schlecht, überhaupt am Frauentag einen Termin vorgeschlagen zu haben, war mir aber auch der Ironie der Situation bewusst. Ich, eine Frau, bat Männer darum, am Frauentag zu arbeiten. Mit schlechtem Gewissen. Den Männern gegenüber. Ich war kurz davor, mich dafür zu entschuldigen.
Aber dann sagte ich nur: „Klar, verstehe ich.“ Und wünschte den Herren einen schönen Frauentag.