Sensationsfund in Pankow: Heimatforscher entdeckt 80 Meter langes Stück der Berliner Mauer

Der Heimatforscher Christian Bormann spricht von einer „kleinen Sensation“ und übertreibt nicht: Bormann hat im Wald ein 80 Meter langes Stück der Berliner Mauer entdeckt, das es eigentlich nicht mehr geben dürfte. Am Montag gab er seinen bisher größten Fund in seinem Internet-Blog Pankower Chronik bekannt.

Das letzte existierende Stück Ur-Mauer?

Die DDR-Grenzanlagen, die nach dem 13. August 1961 den Berliner Osten vom Westteil trennten, entstanden in Etappen. Der Mauerstreifen, den Bormann im Ortsteil Schönholz in einem Waldstück entdeckte, stammt noch aus der ersten Bauphase des Grenzwalls. „Es ist nach allem, was ich in den Archiven ermitteln konnte, das letzte existierende Stück Ur-Mauer“, sagt Bormann. Bis zur Fundmeldung des Heimatkundlers war man im Landesdenkmalamt davon ausgegangenen, dass keine baulichen Reste dieser Art mehr existieren. Das Mauerstück zwischen Schützenstraße und Bahntrasse war fälschlich als offiziell demontiert erfasst worden.

Im Sperrgebiet

Das heißt nicht, dass die Geschichte der deutsch-deutschen Teilung in Schönholz ein ungeschriebenes Kapitel wäre. Seit dem Mauerbau war der S-Bahnhof Schönholz für DDR-Bürger nicht mehr zugänglich, weil er im West-Bezirk Reinickendorf lag. Teile der Garten- und Siedlungskolonien entlang des Waldweges, aber auch Wohngrundstücke lagen im Sperrgebiet. Die dort Wohnenden durften Besucher nur mit besonderer Genehmigung empfangen. Mehrere Privatgrundstücke am Grenzstreifen wurden enteignet.

Der 37-jährige Bormann ist immer auf der Suche nach vergessenen Orten und historischen Geheimnissen seines Herkunftsbezirks Pankow. „Der von mir entdeckte Mauerstreifen stammt noch aus der Zeit vor Errichtung des eigentlichen Todesstreifens an diesem Grenzabschnitt“, sagt er. Deshalb nennt er seinen Fund auch „Mauer 1“.

Die SED hatte ab dem 13. August 1961 zunächst hastig einfache Grenzmauern mit Stacheldraht und Alarmanlagen errichten lassen, wobei die Bautrupps bestehende Gebäude einbezogen. Viele Häuser in Schönholz waren im Krieg beim Angriff auf den Verladebahnhof Pankow-Schönholz beschädigt worden. Noch bestehende Außenmauern wurden nun, ergänzt um Mauersegmente der ersten Generation, zur Ur-Grenzanlage ausgebaut.

„Doch diese erste Sicherungsanlage war nicht abschreckend genug, um DDR-Bürger von Fluchtversuchen abzuhalten“, sagt Bormann. Zahlreichen Menschen soll die Flucht durch den nahen „Pankower Friedhofstunnel“ gelungen sein. Die DDR-Führung reagierte schnell. Der Friedhof wurde teilweise geräumt, um im Anschluss einen gründlicher geplanten Todesstreifen zu errichten. Die sogenannte Vorlandmauer der neuen Grenzanlage bestand nun aus den typischen „L-Teilen“, wie man sie noch heute von der Mauer kennt.

„Entdeckung von europäischer Tragweite“

„Zumeist wurden die älteren Maueranlagen abgerissen, sobald ein moderner Ersatz entstand“, sagt Bormann. Doch im Fall der Schönholzer Schützenstraße versäumte man den Abriss gleich zweimal – beim Bau der neuen Grenzanlage und Jahrzehnte später nach der Wende bei der Beseitigung des Todesstreifens. „Der Grund dafür, dass die Ur-Mauer stehenblieb ist vermutlich, dass sie hier wie die Spitze eines Dreiecks tief in den Wald hineinreicht“, sagt Bormann. Das mache sie schwer einsehbar und insbesondere für heutige Augen kaum noch als Teilstück der Mauer erkennbar.

Bormann, der bereits in seiner Jugend ein passionierter Heimatkundler war, kennt die fragliche Stelle schon seit 1999. „Ich mache die Entdeckung aber erst jetzt öffentlich, weil das Mauerstück nun erkennbar Schutz vor der Witterung braucht“, sagt er. Ein weiterer Grund sei, dass jüngst bei archäologischen Ausgrabungen im Mauerpark ein Fluchttunnel entdeckt wurde. Womöglich könne der von ihm entdeckte Mauerstreifen diese Forschungsarbeit noch bereichern. Das Bezirksamt Pankow ist bereits informiert.

Am Donnerstag bekommt Bormann, der vergangenes Jahr bereits 80 vergessene Mauerteile auf einen Grundstück an der Grumbkowstraße entdeckt hatte, Besuch vom Europa-Abgeordneten Arne Gericke (Freie Wähler). Der Politiker aus Rostock hält Bormanns Fund in Schönholz für eine „Entdeckung von europäischer Tragweite“.