Silvester-Party am Brandenburger Tor: Wie Berlin Frauen vor Übergriffen schützt
Die Silvestersause am Brandenburger Tor ist in vollem Gange. 50 Meter rechts der Bühne stehen Zelte eines Unfallhilfspunkts. Hinter Rettungswagen und Sanitätern, die auf ihren Einsatz warten, hängt am Zaun ein kleines laminiertes Blatt Papier: „Women's Safety Area“ steht darauf, wörtlich übersetzt „Sicherheitsbereich für Frauen“.
Von dem Zelt wissen Venna, Cynthia und Denise nichts, obwohl sie nur wenige Meter davon entfernt stehen. Schon früh am Abend wurden die drei 20-Jährigen belästigt. „Uns haben Männer angetanzt, und die Polizei kam sofort und hat die weggeholt. Danach war wieder alles super“, sagt Denise. Trotz des Zwischenfalls wirken die Remscheiderinnen bester Laune. „Die kommen schon gut vorbereitet rüber“, fügt Venna hinzu. Weil eben nichts Schlimmeres passiert ist, wird daraus auch bei der Polizei keine Meldung. „Alles friedlich und gut“, lautet ein Zwischenfazit der Polizei zur Silvesterparty.
Aufgebauscht zur „Anti-Grapsch-Zone“
Schon die Ankündigung schlug Wellen: Die Nachricht von der angeblichen „Schutzzone“ schaffte es bis in internationale Medien. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft nannte es „das Ende von Gleichberechtigung, Freizügigkeit und Selbstbestimmtheit“. Auch auf Twitter hagelte es Kritik: Wie im Spiel „Stille Post“ entstand der Eindruck, dass Frauen eine eigene „Anti-Grapsch-Zone“ zum Feiern brauchten.
Dabei ist das kleine Zelt lediglich eine Anlaufstelle für Frauen, die sich unwohl fühlen. „Wir bieten es an, falls jemand den Bedarf haben sollte, sich zu unterhalten“, sagt Veranstaltungssprecherin Anja Marx. Auf dem Münchner Oktoberfest existiert das Konzept unter dem Namen „Sichere Wiesn“ seit 2003 und hat mehrmals Preise gewonnen. Rund 250 Mädchen und Frauen wandten sich 2017 dorthin: Ein Dutzend von ihnen deshalb, weil ihnen etwas passiert war. Die meisten ließen sich auch wegen anderer Probleme, etwa Alkohol oder emotionaler Krisen, beraten, heißt es in der Bilanz der Anlaufstelle.
„Nein heißt Nein - sonst schreiten wir ein“
Warum einige in Berlin aus der Einrichtung eine „Schutzzone“ machten? Die Sprecherin des Veranstalters, Anja Marx, erklärt es so: „Ich sehe den Fehler eher bei den Medien, die eine Pressemitteilung der Polizei nicht richtig gelesen haben und sich gegenseitig hochgeschaukelt haben.“
Das Zelt sei auch für diejenigen, die sich nicht an die Polizei wenden wollten, sagte der Berliner Polizeisprecher Thomas Neuendorf vor der Feier. Es gehe um Frauen, die keine Straftat anzeigen wollten, aber sich dennoch belästigt fühlten. Die Hemmschwelle, sich direkt an die Polizei zu wenden, sei gerade dann hoch, wenn die Frauen selbst angetrunken sein. Auch bei Alkoholkonsum, sagte Neuendorf, gelte aber: „Nein heißt Nein, und wenn der Täter sich dann nicht weghält, schreiten wir ein.“
„Die Safety Area finde ich super“
Wie bei den drei Remscheiderinnnen. „Immerhin gibt's so was. Also besser, als wenn es gar nichts geben würde zum Schutz der Frauen, das ist ja Quatsch“, sagt Venna.
Einige Meter weiter steht Nikki Sideleau aus den USA und trinkt mit Hostelfreunden aus Australien und Kolumbien Bier. „Ich habe von der ‘Safety Are‘ gehört, das finde ich super“, sagt die 29-Jährige. Als Alleinreisende fühle sie sich damit sicherer als in ihrer Heimatstadt Washington. „Auch wenn ich es nicht in Anspruch nehme, weiß ich, dass es da ist.“ (Christina Peters, dpa)