Skurrile Anzeige auf WG-Gesucht.de: Berliner Stadtschloss sucht 627 Mitbewohner
Wer in Berlin auf Wohnungssuche ist, hat es oft schwer. Wenige Angebote treffen auf eine riesige Nachfrage, auch nach Wohngemeinschaften. Da dürfte sich der eine oder andere Wohnungssuchende gefreut haben, als vor wenigen Tagen eine Annonce auf der Plattform WG-Gesucht veröffentlicht wurde, bei der ganze 627 Mitbewohner gesucht wurden.
Ab diesem Mittwoch sollen sie einziehen, die Männer oder Frauen zwischen 18 und 60 Jahren, in die "Party-WG und "Senioren-WG" in bester Lage in Berlin-Mitte. Genaue Adresse: Schlossplatz 5. Der Anzeigetext beginnt mit "Unsere WG in Mitte vergrößert sich und sucht noch Mitbewohnis! Wir sind bisher zu dritt und planen demnächst den Einzug in eine schicke WG in Mitte, direkt in Laufweite der HU. Das Gebäude gehört einer staatlich subventionierten Baugruppe."
Wohnen im Schloss für 523 Euro
Bei der angebotenen Wohnung handelt es sich - man ahnt es schon - um das Stadtschloss. Ein Zimmer mit 46 Quadratmetern soll 523 Euro kosten, was für Berliner Verhältnisse sehr günstig ist. Hinter der Aktion steckt die Initiative "Berlin für Alle", die sich für eine soziale Wohnungsbaupolitik in Berlin und gegen das Stadtschloss einsetzt.
Für kommenden Mittwoch, am 8. Juni 2016 um 19 Uhr, plant das Bündnis eine Protestaktion in Form einer Umzugsparty vor dem Schloss. In der WG-Anzeige werden die Wohnungssuchenden zur "Besichtigung" auch dahin eingeladen. Auf der Facebookseite des Events beschreiben die Veranstalter ihre Motivation wie folgt:
"Berlin hat eine Baulücke: 20.000 neue Wohnungen bräuchte die Stadt jedes Jahr, doch nur 9000 werden gebaut. Die meisten davon zu teuer - nicht nur für den Niedriglohn, sondern auch für die Normalverdienerin. Und auch im Bestand steigen die Mieten, denn Wohnraum ist ein gutes Geschäft."
Die Aktivisten beklagen weiter den in Berlin-Mitte entstehenden "Prunkbau" (das Schloss), während der soziale Wohnungsbau nicht voran käme und Geflüchtete in Flugzeughangars leben müssten. Und am Ende des Textes fordern sie "Recht auf Stadt statt Schloss! Günstige Wohnungen in Mitte und Berlin! Rückkauf und Rekommunalisierung jetzt!"
Kritik an Ausstellungen im Humboldt-Forum
Im Anzeigentext wird deutlich, dass neben der Kritik an der in Berlin herrschenden Wohnungsnot auch noch andere politische Motive hinter der Aktion stecken, die sich auf die geplanten ethnologischen Ausstellungen im Humboldtforum, das ins Schloss ziehen soll, beziehen.
So steht dort (spaßeshalber unter dem Punkt WG-Leben): "Wir haben alle drei einen Sammel-Tick, von daher sollten euch viele Bücher, ägyptische Büsten und einige Leichen im Keller nicht stören. Es wird alles etwas vollgestellt sein, dafür aber gemütlich mit vielen vintage-Möbeln - tolle Orientteppiche und einen echten Thronsessel haben wir schon! Wir leihen auch gerne mal was aus, auch wenn wir hin und wieder vergessen, wo die Sachen eigentlich hingehören."
Unterschrieben ist die Anzeige mit "Wilhelm, Alexander und Hermann", womit wahrscheinlich auf die Humboldt-Brüder Wilhelm und Alexander sowie auf Hermann Parzinger, Präsident der Berliner Stiftung Preußischer Kulturbesitz, angespielt wird.