So kommt es zu den täglichen Sperrungen und Staus : Berliner Stadtautobahn kurz vor dem Kollaps

Zu einem ganz normalen Morgen in Berlin gehören nicht nur Kaffee und Toast, sondern auch diese Verkehrsmeldungen. „Einfahrt Siemensdamm gesperrt“, „Einfahrt Antonienstraße gesperrt“, „Fahrstreifen vor dem Britzer Tunnel gesperrt“ – alles wegen „zu hoher Verkehrsbelastung“: Kaum ein Arbeitstag vergeht, an dem solche Hinweise nicht im Radio zu hören sind. Weil zu viele Autos unterwegs sind, gibt es regelmäßig Sperrungen von Teilen der Stadtautobahn. Die Folge: Autofahrer sind länger unterwegs. Jetzt nannte der Senat offizielle Zahlen, wie oft das inzwischen vorkommt. Sie zeigen: Die Autobahn ist am Rande ihrer Kapazität.

„Nie wieder“, klagt Jörg Becker vom Allgemeinen Deutschen Automobil-Club (ADAC). „Vor kurzem musste ich jemanden morgens zum Flughafen Tegel bringen“, und das nahm sehr viel Zeit in Anspruch. Die Autobahn A 111, die in die Nähe des wichtigsten Berliner Flughafens führt, war voll – wie immer im Berufsverkehr. „Doch noch länger dauerte es, von Tegel aus wieder dorthin zurück zu kommen, der Rückstau war gewaltig.“ Die Autobahn im Nordwesten leidet unter ihrer Doppelfunktion als Pendlerstrecke und Airport-Zubringer. Damit nicht genug: Am Jakob-Kaiser-Platz trifft sie auf den ebenfalls stark ausgelasteten Stadtring, die A 100.

Bloß kein Stillstand in der Röhre

Wozu dies führt, lässt sich anhand der jüngsten Statistik der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ablesen. Danach hat eine Zahl einen neuen Rekord erreicht: Die Einfahrt Siemensdamm am Jakob-Kaiser-Platz in Charlottenburg musste im vergangenen Jahr 468 Mal gesperrt werden, weil der Verkehr zu stark war. Das sagte ein Sprecher von Senator Andreas Geisel (SPD) auf Anfrage. Zum Vergleich: Im Jahr davor gab es 398 Sperrungen dieser Art.

Damit ist diese Einfahrt zur A 100 neuerdings noch häufiger verstopft als ein anderer neuralgischer Punkt. Die Einfahrt Antonienstraße in Reinickendorf musste im vergangenen Jahr 403 Mal wegen zu hoher Verkehrsbelastung gesperrt werden. Im Jahr davor hatten die Ampeln in der Verlängerung des Eichborndamms gar 409 Mal längere Zeit Rot gezeigt.

Das Team der Tunnelleitzentrale, die nebenan logiert, hat keine Wahl: Die Einfahrt Antonienstraße führt geradewegs in den Tunnel der A 111 unter dem Flughafen Tegel – und wenn sich dort zu viele Autos drängen, muss die Zufahrt beschränkt werden. Becker: „Sicherheit geht vor.“ Stau im Tunnel soll es nicht geben. Denn wenn ein Feuer ausbräche, säßen die Fahrer in der Falle.

Nicht selten muss auch der Flughafentunnel gesperrt werden. Im vergangenen Jahr war das 122 Mal der Fall – in 105 Fällen betraf das die stadteinwärts führende Röhre. Immerhin: Die Zahl der Sperrungen nahm im vergangenen Jahr ab.

Das galt auch für die mit 1,7 Kilometer längste Unterführung im Berliner Autobahnnetz. Der Tunnel Ortsteil Britz in Neukölln musste im vergangenen Jahr stadteinwärts 18 Mal und stadtauswärts acht Mal gesperrt werden, weil zu viele Autos hineindrängten. Meist konnten solche Einschnitte vermieden werden, weil es gelang, den Verkehr vorher zu drosseln – durch Sperrungen von Fahrstreifen und Einfahrten. Das war im vergangenen Jahr 482 Mal nötig, seltener als im Jahr davor.

„Unter den heutigen Rahmenbedingungen ist die Berliner Stadtautobahn an ihrer Kapazitätsgrenze angelangt“, schätzte Becker ein. Er sieht so gut wie keine Möglichkeiten, sie leistungsfähiger zu machen. „Dazu fehlt Platz“, sagte er. Doch Becker setzt vor allem darauf, dass sich die Verkehrsgewohnheiten in Zukunft ändern. „Die Probleme auf der A 111 haben mit dem Flughafen Tegel zu tun – und der soll 2017 geschlossen werden“, so Becker. „Und wenn 2022 die A 100 von Neukölln nach Treptow fertig ist, werden viele Autos vor dem Britzer Tunnel auf die neue Strecke abbiegen“, hoffte er.

Großbaustellen in Sicht

Allerdings drohen in Zukunft auch Großbaustellen – etwa auf der A 100 zwischen Dreieck Funkturm und Jakob-Kaiser-Platz. Die A 114 in Pankow wird ab 2017 saniert, so der Senat. Auch der Tunnel Tegel Ortskern (A 111), an dem schon seit Jahren geflickt wird, muss dringend erneuert werden . Dazu wird das Konzept voraussichtlich im Winter 2016/17 vorliegen, teilte Verkehrs-Staatssekretär Christian Gaebler (SPD) auf eine Anfrage des CDU-Abgeordneten Tim-Christopher Zeelen hin mit. „So lange der Pankow-Zubringer saniert wird, darf nicht auch noch diese Nordzufahrt nach Berlin dicht gemacht werden“, warnte Becker. „Darauf werden wir achten.“