Sören Benn: Das könnte Pankows neuer Bürgermeister sein
Berlin - Sören Benn hat den Bürgerpark als Treffpunkt für das Gespräch mit der Berliner Zeitung mit Bedacht gewählt. „Der ehemalige Pankower Bürgermeister Wilhelm Kuhr hat dafür gesorgt, dass die Gemeinde dieses Gelände kauft, um es der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen“, erklärt der 48-Jährige. „So hat er verhindert, dass der Park, der vorher in Privathand war, bebaut wird.“
Wohnungsnot in Pankow
Das war im Jahr 1907, als in der Berliner Gründerzeit die Stadt aus allen Nähten platzte und ganze Stadtviertel auf der grünen Wiese errichtet wurden – die Bodenspekulation blühte. Der ehemals private Garten jedoch wurde zum Naherholungsgebiet. Ein sehr aktuelles Thema. Auch heute brauchen die Pankower nicht nur neue Wohnungen, sondern Platz im Grünen, davon ist Benn überzeugt.
Sören Benn würde gerne Lokalpolitik im Sinne von Wilhelm Kuhr machen. Gut möglich, dass er dazu bald die Gelegenheit bekommt. Der Linken-Politiker ist der aussichtsreichste Anwärter auf das Amt des Bezirksbürgermeisters. Seine Partei stellt die stärkste Fraktion in der neu gewählten Bezirksverordnetenversammlung. Wenn auch nur mit hauchdünnem Vorsprung vor SPD und Grünen.
Die Wohnungspolitik ist das brisanteste Thema im Bezirk, der in den vergangenen Jahren so rasant gewachsen ist, wie kein anderer. Fast 90.000 Menschen sind seit den 90er Jahren nach Pankow gezogen. Bald werden es hier mehr als 400.000 Menschen sein.
In der Rolle des Vermittlers
Für sie will Benn eine Politik, in der sich die Lebensqualität nicht dem Bedarf nach immer mehr Wohnraum unterordnet. „Verdichtung muss sein“, sagt auch er, „aber es kann doch nicht darum gehen, immer nur den Prognosen hinterherzubauen.“ Zumal man bezahlbare Wohnungen mit Neubauten ohnehin nicht hinbekomme. „Kein Investor kann heute mit der Miete unter 8,50 Euro pro Quadratmeter liegen“, sagt er.
Und weiß zugleich, dass der Bezirk bei vielen Projekten ohnehin nichts mehr zu entscheiden hat. Die Schließung von Baulücken kann der Bezirk nicht verhindern, da darf er den Investoren die Baugenehmigung nicht verweigern.
Und Großprojekte wie die geplante Wohnsiedlung auf den Äckern der Elisabethaue, wo zum Entsetzen der Anwohner bis zu 5000 neue Wohnungen entstehen sollen – diese Projekte zieht der Senat gleich an sich, mit dem Verweis auf die gesamtstädtische Bedeutung.
Dem künftigen Bezirksbürgermeister bleibt also vor allem das Vermitteln zwischen den einzelnen Interessen. Sören Benn will eine neue Kultur der Bürgerbeteiligung. „Wir müssen die Leute mitnehmen“, sagt er, und fügt sofort hinzu: „Ich weiß schon, dass das wie eine Sprechblase klingt, aber ich meine es ernst.“
Er sagt, er will, dass die Bürger eher über Projekte informiert werden, nicht erst dann, wenn alles längst beschlossen ist. Benn spricht mit leichtem Berliner Dialekt, wenn auch lange nicht so ausgeprägt wie Jens-Holger Kirchner, der grüne Stadtrat, der sich eigentlich Hoffnungen auf den Bürgermeister-Posten gemacht hat. Für Kirchner könnte es bald einen Job im Senat geben, heißt es. Vielleicht bleibt er auch Stadtrat, noch ist nichts entschieden.
Schwierige Zusammensetzung im Bezirksamt
Doch eines ist jetzt schon klar: Pankow bekommt das Bezirksamt mit der schwierigsten Zusammensetzung in ganz Berlin. Jedem Bezirksamt gehören fünf Mitglieder – Stadträte plus Bürgermeister – an. Die Posten werden gemäß dem Wahlergebnis der Parteien verteilt.
Für Pankow heißt das: den Linken, der SPD, den Grünen, der CDU und der AfD steht jeweils ein Stadtrat zu. Wer Bürgermeister wird, entscheidet die Bezirksverordnetenversammlung per Wahl. In der Regel wird er von der stärksten Fraktion gestellt.
Möglich ist aber auch, dass sich kleinere Fraktionen zu Zählgemeinschaften zusammenschließen, um einen ihrer Stadträte zum Bürgermeister zu wählen. Gleichgültig, wer es in Pankow wird: Aufgrund der Machtverhältnisse ist absehbar, dass er kein leichtes Spiel haben wird. Kompromissbereitschaft ist nötig.
Vielleicht spricht Benn auch deshalb von einer neuen politischen Kultur, die er entwickeln helfen will. Mehr Bürgerbeteiligung, aber auch einen konstruktiveren Umgang mit dem politischen Gegner. Sich gegenseitig etwas gönnen können, davon ist seit dem Wahlabend generell viel die Rede. Benn hat auch schon einige konkrete Vorhaben.
Bei den Sondierungen mit den anderen Parteien in den nächsten Tagen möchte er die Schnittmengen ausloten. Und einiges der „Klugheit der BVV“ überlassen. Warum sollte eine Zählgemeinschaft, egal welcher Couleur, immer festlegen, dass man auf keinen Fall gegeneinander stimmt?
Schwieriges Zusammenwachsen
„Wenn man Sachfragen im Bezirksparlament ausdiskutiert, kommt man dort vielleicht zu besseren Lösungen“, sagt Benn. Auf die neue BVV setzt er ohnehin einige Hoffnungen. Viele Verordnete seien jung und weniger von den Widersprüchen im Bezirk geprägt als in der Vergangenheit.
Dazu muss man wissen, dass Weißensee, Prenzlauer Berg und Pankow vor 15 Jahren nur schmerzlich zu einem Bezirk zusammenwuchsen. Falls man überhaupt von einem echtem Zusammenwachsen sprechen kann. Pankow, das ist heute nicht nur das gutbürgerliche Publikum, das rund um den Bürgerpark wohnt.
Zu Pankow gehören auch die zugezogenen schwäbischen Akademikerfamilien mit ihren Kindern, die zur Gentrifizierung in Prenzlauer Berg beigetragen haben. Und zu Pankow gehören die Ortsteile Blankenfelde und Buch, die teils dörflich geprägt sind und wo die AfD in manchen Wahlkreisen stärkste politische Kraft wurde. Sie alle muss der künftige Bezirksbürgermeister unter einen Hut bringen.
Sören Benn bringt dafür recht gute Voraussetzungen mit. Er hat vor der Wende eine Ausbildung zum Baufacharbeiter gemacht und in dem Beruf gearbeitet. Nach der Wende studierte er Sozialpädagogik und arbeitete mit Jugendlichen. Dazwischen erfüllte er sich einen persönlichen Traum und ließ sich zum Schauspieler ausbilden.
Er war Referent bei Wirtschaftssenator Harald Wolf und arbeitet derzeit als wissenschaftlicher Referent bei der Linken-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Im Bezirk ist er gut vernetzt, seit 2008 hier auch Linken-Vorsitzender. Eine ideologische Setzung mit der Fähigkeit zur Flexibilität – nicht die schlechtesten Voraussetzungen für einen Pankower Bürgermeister. Sören Benn muss ja nicht gleich der „Vater der Gemeinde“ werden, wie einst Wilhelm Kuhr.