Soziale Biermarke: Warum die Quartiermeister erfolgreich alles anders machen

Geil oder bescheuert. Das sind die häufigsten Antworten, die Peter Eckert bekommt, wenn er seine Gesprächspartner fragt, wie sie das Konzept seiner Firma finden. Seit acht Jahren verkaufen der 33-jährige Geschäftsführer und seine zwölf Mitarbeiter die Kreuzberger Biermarke Quartiermeister – mit wachsendem Erfolg, steigendem Umsatz und einem sozialpolitischen Anspruch.

Mit ihrem Bier mischen sie sich in die Gender-Debatte ein, schreiben auf ihre Etiketten „Quartiermeister*in“ – und fördern mit Teilen ihres Gewinns auch noch soziale Projekte.

Peter Eckert und David Griedelbach sind die Geschäftsführer. Eckert hat Politikwissenschaften und Non-Profit-Management studiert, Griedelbach wäre nach seinem Studium bei der Deutschen Bank wohl Banker geworden. Doch die beiden Freunde hatten andere Ideen. „Wir wollten etwas Sinnvolles und Soziales machen“, sagt Eckert. „Etwas, was unsere Gesellschaft verändert.“

120.000 Euro für 120 Projekte

Von Anfang an war klar, dass die Firma einen festen Betrag ihres Gewinns an soziale Projekte verschenken will. Zehn Cent pro Liter. Dieser Grundsatz gilt bis heute. Vom Umsatz finanziert der Betrieb seine Kosten für Personal und Verwaltung. „Alles, was übrig bleibt, bekommen soziale Projekte“, sagt Lisa Wiedemuth, die Kulturarbeit studiert hat und sich seit 2014 um das Marketing kümmert.

Damals gingen 16.500 Euro an soziale Projekte. Nächstes Jahr sind es 45.000 Euro. Insgesamt hat Quartiermeister bisher 120.000 Euro an mehr als 120 Projekte verschenkt. Meist sind es Beträge zwischen 500 und 2500 Euro. Die Prinzessinnengärten in Kreuzberg bekamen Geld, ebenso Fahrradwerkstätten und Selbsthilfeläden, Flüchtlings- und Kulturprojekte wie die Traumdisco, ein Projekt für Menschen mit und ohne Behinderung.

Social Business Konzepte unter Berliner Start-ups

Auch in die Genderdebatte mischen sie sich ein. Neuerdings ist auf den Bierflaschen nicht mehr nur der Kopf eines Mannes abgebildet, auch eine Frau ist jetzt zu sehen – ein Bekenntnis gegen Diskriminierung und stereotype Bierwerbung. Das Bier in den Flaschen aber unterscheidet sich nicht. „Für uns gibt es kein Frauenbier“, sagt Lisa Wiedemuth.

Die Kreuzberger Sozialunternehmer stehen mit diesem Geschäftsmodell nicht allein da. Social Business heißt das Weltverbesserungskonzept, bei dem Verbraucher ganz einfach Gutes tun können. Das Berliner Start-up „Share“ verkauft Mineralwasser, Seife und Nussriegel. Für jedes verkaufte Produkt wird einem Menschen in Not mit einem gleichwertigen Produkt geholfen. Auch „Lemonaid“ und „Charitea“ finanzieren weltweit Hilfsprojekte.

„Bier ist heute nicht mehr nur ein Durstlöscher“

Bier trinken und Gutes tun – nicht nur in Berlin funktioniert diese Kombination. Mittlerweile wird das Bier auch in Dresden, München und Leipzig verkauft. Regionale, privat geführte mittelständische Brauereien produzieren es. Das Bier für Berlin stellt die Stadtbrauerei Wittichenau in der Lausitz her. Denn in Berlin hatten die Firmengründer keine Brauerei gefunden, die ihren Kriterien für korrekten Konsum entsprach.

Der Firma kommt zugute, dass immer mehr Konsumenten neue Biersorten ausprobieren, abseits des Massengeschmacks. „Bier ist heute nicht mehr nur ein Durstlöscher“, sagt Frank-Jürgen Methner, Professor am Fachbereich Brauwesen der TU. „Es ist längst ein Genussmittel, das dem Wein ebenbürtig geworden ist.“

Unabhängig bleiben

Die Gründer haben ganz bewusst alles ganz anders gemacht, als man es von jungen, erfolgreichen Unternehmen kennt. Ohne Investoren und ohne Kredite haben Eckert und Griedelbach vor acht Jahren ihre Firma gegründet. Sie verzichten auf Werbung und Sponsoring. Sie blieben unabhängig. Vor allem auch in der Frage, welche Projekte gefördert werden.

Im dafür gegründeten Verein entscheiden die 50 Mitglieder jedes Quartal über die Vergabe. „Wir sind flexibel und schnell, wir fordern keine Rechnungen“, sagt Lisa Wiedemuth. Alle Geschäftszahlen werden im Internet veröffentlicht, der Betrieb wird auf Grundlage einer Gemeinwohlökonomie bilanziert. „Ohne Transparenz funktioniert soziales Unternehmertum nicht“, sagt Peter Eckert.