Sparen am falschen Ende

Unser Kolumnist Torsten Landsberg wünscht sich ein rücksichtsvolleres Miteinander.

Pop-up-Radweg in Berlin Charlottenburg.
Pop-up-Radweg in Berlin Charlottenburg.Berliner Zeitung/Volkmar Otto

Berlin. Vor einer Woche standen an dieser Stelle ein paar Zeilen über die hastig installierten Pop-up-Spuren für Radfahrer – uns Radfahrer, damit keine Missverständnisse aufkommen –, verbunden mit der Kritik, dass sie nicht in ein größeres Verkehrskonzept eingebunden sind. Am gleichen Tag starb eine Radfahrerin auf so einer Pop-up-Spur, überfahren von einem abbiegenden Lastwagen. Das Opfer war 62, und man kann wohl annehmen, dass sie nicht mit der Geschwindigkeit mancher Fixie-Radler unterwegs war und plötzlich wie aus dem Nichts auftauchte.

Der Fall zeigt, dass selbst die beste und breiteste Radspur keine Sicherheit bietet. Zu einem größeren Konzept müsste, neben vielen anderen Punkten, die Ausrüstung von Lkw mit Abbiegeassistenten gehören. Die ist so teuer, dass sie für kleinere Unternehmen kaum zu stemmen ist. Leider sind die staatlichen Fördermittel schnell erschöpft, weil begrenzt – warum eigentlich? In den vergangenen Corona-Monaten hat die Politik doch bewiesen, wie schnell sehr teure Entscheidungen getroffen werden können, wenn sie für den Schutz von Gesundheit und Leben notwendig sind.

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Abgesehen von politischen Regelungen wäre im Alltag natürlich auch etwas mehr Miteinander eine tolle Sache. Utopisch, wenn wir nur auf der Pop-up-Spur bleiben: Hier überholt ein schneller Radler einen langsameren. Vor ihm setzt gerade ein weiterer Radler zum Überholen an, der fährt aber langsamer als der schnelle Radfahrer hinter ihm. Also reißt der schnellste aller Radfahrer seinen Lenker auf die Autospur in den Fließverkehr, um alle anderen hinter sich zu lassen. Ohne sich vorher umzusehen. Ein Auto bremst abrupt, der Fahrer hupt. Der tödliche Unfall liegt da gerade einen Tag zurück.

Den Autoverkehr in der Innenstadt zu reduzieren, ist eine gute Idee. Ein Problem bleibt dabei trotzdem ungelöst: Ein Arschloch ist ein Arschloch – egal, ob in einem Auto, auf einem Fahrrad oder zu Fuß. Es geht um Eigenverantwortung, was halt ein grundsätzliches Problem ist, wie die Parallele zu Corona zeigt. Das eigene Vorankommen, der eigene Spaß, selbst das nachvollziehbare Gefühl, für eine wichtige Sache demonstrieren zu müssen, wird über ein nach wie vor gültiges gesellschaftliches Anliegen gestellt. Wann ist Rücksicht auf andere eigentlich aus der Mode gekommen?