SPD: Wende im SPD-Führungsstreit
Klaus Wowereit steckt mitten in Flughafen-Turbulenzen und dann wird auch noch Michael Müller als Parteichef abgewählt? Für die beiden wichtigsten Männer der Regierungspartei SPD wäre das ziemlich viel Krise auf einmal. Dem Regierenden Bürgermeister und seinem Stadtentwicklungssenator dürfte es daher gefallen, was Sozialdemokraten am heutigen Montag in der SPD-Spitze durchsetzen wollen: Der für den 9. Juni geplante Parteitag soll verschoben und das Duell zwischen Michael Müller und seinem Kontrahenten Jan Stöß per Urwahl entschieden werden.
Der Antrag kommt aus der mitgliederstarken SPD Steglitz-Zehlendorf und ist überraschend. Noch vor drei Wochen nämlich hatten die örtlichen Delegierten eine Urwahl abgelehnt. Am Freitag jedoch machte der Kreisvorstand die Entscheidung rückgängig – nach lebhafter Debatte mit 15 zu zehn Stimmen. Nun wird die SPD-Spitze aufgefordert, möglichst schnell die Voraussetzungen für eine Urwahl zu schaffen. Ein Parteitag soll erst danach stattfinden. An seiner Basis habe es Unmut gegeben, begründete Kreischef Michael Arndt die Kehrtwende.
Ausgelöst wurde der Unmut von Parteifreunden in Spandau, die zurzeit Unterschriften für eine Urwahl sammeln. Wenn diese Initiative schon vor drei Wochen gestartet worden wäre, hätten seine Delegierten vielleicht gleich einen anderen Beschluss gefasst, sagte Arndt am Sonntag. Auch am „völlig intransparenten“ Verfahren gebe es Kritik. Vielen Mitgliedern sei immer noch nicht klar, was das Mitgliederbegehren der Spandauer bedeute und wie es funktioniere – auch weil die SPD-Zentrale es nicht aktiv begleite, etwa durch einen Infobrief.
„Wenn sich herausstellt, dass die Partei durch Prozeduren unzumutbar belastet wird, dann muss neu abgewogen werden“, sagte Arndt. Mitgliederbegehren seien schließlich keine Routine in der SPD. Sie seien gerade erst auf Bundesebene beschlossen worden und noch nicht erprobt. „Der Fortschritt ist halt manchmal eine Schnecke“, sagte der Abgeordnete und Müller-Unterstützer. Deshalb will er im Parteivorstand auch dafür werben, dass die Spandauer die ihnen zustehende Frist von drei Monaten auch sinnvoll ausschöpfen können. Wenn schon am 9. Juni gewählt würde, wäre diese Unterschriftenaktion nämlich im Kern überflüssig.
Um eine Urwahl „Müller gegen Stöß“ durchzusetzen, müssten die Spandauer 1 670 Unterstützer vorweisen. Das sind zehn Prozent aller Mitglieder. Nach Auskunft des Initiators André Dietzschke lagen bis zum Wochenende rund 800 Unterschriften vor. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass bis zum 9. Juni weitere 800 eingereicht würden, sicher ist das aber nicht. Außerdem käme das Ergebnis zu spät, um damit noch eine Verschiebung des Duell-Parteitags zu erreichen.
Die engere SPD-Führung nämlich hat eine Urwahl längst abgelehnt. Parteichef Müller ist zwar dafür, auch weil er sich dadurch mehr Erfolgschancen ausrechnet. Er konnte sich aber nicht durchsetzen. Im geschäftsführenden Landesvorstand sitzen mehrheitlich Unterstützer von Jan Stöß.
Der Kreuzberger Kreischef und Sprecher der SPD-Linken ist gegen eine Mitgliederbefragung. Für ein neues Verfahren gebe es keinen Grund, argumentiert er. Stöß geht davon aus, dass ihn eine Mehrheit der Parteitagsdelegierten wählen würde, er es bei einer Beteiligung der gesamten Basis aber schwerer hätte. Sicher ist das jedoch nicht.
In der SPD wird nun mit Spannung erwartet, ob bei der Vorstandssitzung am Montagnachmittag eine Kehrtwende vollzogen wird. Anders als im „kleinen“ Vorstand sind hier auch die zwölf Kreischefs vertreten. Sollte es zu einer Kampfabstimmung über eine Verschiebung des Parteitags kommen, dürfte sie äußerst knapp ausgehen. Einer der wichtigsten Müller-Unterstützer wird dabei fehlen: SPD-Vize Marc Schulte ist zurzeit in Baku. Der Musikliebhaber hört sich die Proben vom Eurovision Song Contest an.