Spektakulärer Goldfund: Wie ein Krimi aus dem Mittelalter
Potsdam - An den großen Fund hat Manfred Guthke zunächst gar nicht geglaubt. Was er da im vorigen November aus einem Kartoffelacker nahe Biesenbrow in der Uckermark ausgebuddelt hatte, erzählt der pensionierte Lehrer und Hobby-Schatzsucher aus Berlin, habe er anfangs für Goldfolie gehalten, „von so einem Schoko-Taler für Kinder“. Erst nachdem Guthke den Lehm abgerieben hatte, zeigte sich: Es handelt sich um eine Goldmünze, vollständig erhalten und überaus fein geprägt mit Bildern und lateinischen Worten.
„Ein spektakuläres Stück“, sagt Bernd Kluge, Leiter des Berliner Münzkabinetts. Denn die Münze wurde vor mehr als eineinhalb Jahrtausenden vom Frankenkönig Theudebert I. geprägt, einem Enkel des Merowinger-Herrschers Chlodwig. Schon deshalb ist der Fund eine wissenschaftliche Sensation, denn Theudebert brach mit seinen eigenen Münzen damals das Goldmonopol der römischen Kaiser. Erhalten sind nur wenige Stücke, sagt Kluge und fügt begeistert hinzu: „Wir haben den Beginn des Mittelalters in dieser Münze vor uns.“ Sie sei die wertvollste unter den acht Goldstücken - sogenannten Solidi -, die im November in Biesenbrow gefunden wurden, „ein Solitär“.
Aufsehen über die Fachwelt hinaus erregt der Grabungserfolg aber auch deshalb, weil kaum jemand einen solchen Schatz in der Uckermark vermutet hätte. „Die Gegend war im 6. Jahrhundert eine menschenleere Wildnis“, sagt der Mittelalter-Archäologe Felix Biermann, der mit Hartnäckigkeit und Spürsinn den einzigartigen Fund möglich machte. Seit 2004 ist er dem Gold von Biesenbrow auf der Fährte. Denn im 19. Jahrhundert hatten Landarbeiter hier 200 Münzen entdeckt und die allermeisten durch Einschmelzen zu Geld gemacht; nur vier Stück blieben ganz und wurden in Berlin ausgestellt.
2010 machte sich Biermann mit ehrenamtlichen Helfern wie Guthke daran, den Rest des Schatzes zu suchen, ungeachtet aller Zweifel und Unwägbarkeiten. Ihr Vorgehen erinnert an Detektivarbeit: Ein Dorflehrer hatte vor mehr als 100 Jahren die ersten Funde beschrieben, aber nur vage Ortsangaben gemacht: das Gold habe „bei der Hintermühle“ gelegen. Anhand von alten Briefen und mit Unterstützung des Katasteramtes konnte Biermann einen Acker ermitteln, der in Frage kam. „Leider war der sehr groß - aber es hat dann ja doch geklappt“, sagt der 42-Jährige stolz. Einige Wochen lang wühlten er und seine Männer, dann kamen die acht Münzen nebst Scherben des Tongefäßes und einer Gewandspange zum Vorschein.
Die Münzen sind etwas größer als ein Euro und flach wie ein Cent-Stück. In der Hand aber liegen sie schwer: 24-karätiges Gold, das garantiert Theudeberts Prägestempel. Ein weiteres Qualitätsmerkmal, sagt Kluge, seien Dellen, die Laien für eine Beschädigung halten: „Die Münzen wurden gebogen und gerollt, um ihre Echtheit zu prüfen.“ Abgebildet auf den Fundstücken sind Kaiserbüsten und ein christlicher Engel mit Kreuz, abgeleitet aus der Siegesgöttin Viktoria.
Bezahlen indes ließ sich in der Fundregion mit den Münzen auch vor 1500 Jahren nichts. Zum einen, weil sie damals nördlich der Alpen keine Gültigkeit hatten. Und zum anderen, weil sie viel zu wertvoll waren für Alltagsgeschäfte. „Das war wie ein 500-Euro-Schein“, sagt Kluge. Die Münzen im Tonkrug seien daher wohl kein privates Vermögen gewesen: „Dieser Schatz ist ein Statussymbol.“ Mit Solidi, so Biermann, erkauften sich Herrscher die Gefolgschaft, die sie brauchten.
Über die genaue Herkunft der Münzen jedoch rätselt auch der Archäologe noch, der als letzter Professor seines Fachs an der Berliner Humboldt-Universität arbeitete und heute in Göttingen lehrt. Biermann vermutet, dass „jemand von weit her“ den Schatz auf der Flucht versteckte, als das Thüringer-Reich in Kämpfen mit den Franken unterging. Jetzt will Biermann mit seinen Helfern die Umgebung von Biesenbrow erforschen, um vielleicht mehr zu erfahren über den früheren Goldbesitzer und sein Schicksal.