Spendenkampagne: Bürger wollen Weißen See vor dem Austrocknen retten

Berlin - Die letzte Stufe der Treppe liegt an diesem Vormittag im Wasser. Immerhin, findet Alexander Schüller, Pächter des Strandbads in Weißensee. Vor wenigen Wochen noch, bevor der Jahrhundertregen über Berlin niederging, lagen alle Stufen der Einstiegstreppe zum Nichtschwimmerbereich auf dem Trockenen. Doch die eine Stufe Wasser, die der Himmel schickte, reicht nicht aus. Sie vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, dass der Wasserpegel auch trotz derzeitigen Dauerregens im Weißen See kontinuierlich sinkt.

Weil sie nicht länger auf Hilfe von Stadt und Bezirk hoffen wollen, nehmen Alexander Schüller und andere rund um den See angesiedelte Gastronomen das Problem nun selbst in die Hand. Sie haben eine Spendenkampagne ins Leben gerufen, um in den See 40.000 Kubikmeter Wasser einzuspeisen. Die Menge entspricht ungefähr der Füllung von zwanzig olympischen Schwimmbädern. Insgesamt fasst der See 360.000 Kubikmeter Wasser.

„Das Auffüllen kostet etwa 80.000 bis 90.000 Euro. Das heißt, für zwei Euro kann man Besitzer eines Kubikmeters Wasser werden“, sagt Schüller. Interessierte können auf ein vom Bezirk eingerichtetes Konto oder in eine Dose im Strandbad spenden.

Insgesamt geht das Wasser im 8,3 Hektar großem Weißen See stark zurück. Noch vor Jahren wurden 10,64 Meter als maximale Tiefe für das Gewässer angegeben. Als 2014 ein Labor die Wasserqualität untersuchte, stand der Pegel bereits bei 9,50 Meter, berichtet der Strandbad-Pächter. Im Mai dieses Jahres seien gar nur noch 8,56 Meter gemessen worden. Der sinkende Pegel schafft auch Probleme am Ufer: Bäume entwurzeln, weil kein Gegengewicht mehr da ist, Vogelnistplätze gehen verloren.

Wasseraustrag per Badehose

Der Weiße See ist ein Standgewässer ohne natürlichen Zufluss. Dass er austrocknet, liege vor allem am Klimawandel, sagen Experten. „Vor sieben Jahren hatten wir in Berlin noch 70 relevante Regentage pro Jahr“, so Schüller. „In den vergangenen fünf Jahren waren es nur noch 30.“ Der Ostteil Berlins bekomme im Schnitt noch weniger Regen als der Westen. Auch tragen – und das leuchtet ein, obwohl es fast aberwitzig simpel erscheint – immer mehr Badegäste immer mehr Wasser in ihren Shorts, Bikinis und Badeanzügen mit hinaus ans Ufer.

Unterstützung für ihr Anliegen bekommen die Gastronomen vom Verein Parkfreunde Weißensee. „Allerdings denken wir noch langfristiger“, sagt der Vereinsvorsitzende Tibor Bogun. „Wasser einzuspeisen ist der erste Schritt. Auf kurz oder lang verdunstet oder versickert es aber wieder.“ Der Verein fordert vom Bezirk deshalb, die Grundwasserpumpen im Weißen See auf Vordermann zu bringen. Denn nicht nur durch Regenfälle gelangt Wasser in den See. Zwei Pumpen befördern Grundwasser an die Oberfläche und leiten es in das Gewässer – theoretisch. „Eine der Pumpen ist seit zehn Jahren kaputt, die andere muss generalüberholt werden“, sagt Bogun.

Die Sanierung der Pumpen ist Teil eines Forderungskatalogs, mit dem sich der Verein an den Bezirk wandte. Renaturierungsmaßnahmen müssten dem abstürzenden Ufer entgegengesetzt werden. Schilf könne dazu beitragen, die Rückzugsorte vieler Tiere zu sichern.

Neben dem sinkenden Pegel benennen die Anwohner vor allem Probleme, die durch die stetig steigende Anzahl von Badegästen und Erholungssuchenden rund um den See entstehen. „Der Park steht mittlerweile in jedem Reiseführer, die Anbindung aus der Innenstadt ist super“, sagt Bogun. „Das ist im Prinzip toll! Es freut uns, wenn die Leute hier ausspannen.“ Es fehle allerdings die Infrastruktur, um die Besucherscharen zu versorgen.

Toiletten- und Grillsorgen

„Außerhalb des Strandbads gibt es keine öffentlichen Toiletten – das riecht man nach einem warmen Wochenende in jedem Busch.“ Hier müsse man zunächst provisorisch ein paar Dixie-Häuschen aufstellen und auf lange Sicht befestigte öffentliche Toiletten bauen.

Viele Ausflügler versammeln sich zum Picknicken außerhalb des Strandbads und gehen an den Zugängen zum See wild baden – auch wenn das laut Badegewässerprofil eigentlich verboten ist. „Nicht selten bringen die Leute auch einen Grill mit, was bei großer Hitze und Trockenheit gefährlich sein kann, wenn Funken springen oder heiße Kohlen liegenbleiben“, sagt Bogun. Der Verein fordert das Ordnungsamt auf, die Einhaltung des Grillverbots stärker zu kontrollieren. Sonst sei es nur eine Frage der Zeit bis zum ersten Brand.

Einen entsprechenden Antrag mit allen Forderungen brachte der Verein im Juni in die Bezirksverordnetenversammlung Pankow ein. Die Verordneten schickten das Begehren weiter in mehrere Ausschüsse. Auch einen offenen Brief an Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke) hat der Verein auf seiner Website veröffentlicht.

Mittlerweile hat jedoch die politische Sommerpause begonnen. Erst Anfang September tagen die Verordneten wieder. Der Sommer ist dann beinahe vorbei.