Für Hobbygärtner ist es wahrscheinlich keine Neuigkeit, dass Unkraut auch bei extremer Trockenheit bereitwillig wuchert. Nach diesem heißen und dürren Sommer ist schon einiges an Grünzeug verdorrt, manche Bäume haben ihre Blätter sogar bereits vor der eigentlich natürlichen Zeit ihres Laubabwurfs eingebüßt, weil sie den Blättern notgedrungen schon alle lebenserhaltenden Nährstoffe entziehen mussten. Auch einige Balkonpflanzen haben es trotz sorgsamer Zuwendung nicht in den Herbst geschafft und sind vorzeitig eingegangen.
Doch seit sie nicht mehr gegossen werden (welchen Sinn sollte das auch haben?), sprießt plötzlich wieder neues, sattes Grün aus den Kästen, das höher wächst als es die eigentliche Bepflanzung zum Höhepunkt ihrer Blütezeit jemals tat.
Ein Phänomen, das sich momentan genau so an jeder Straßenecke beobachten lässt: Während auf Parkflächen und Mittelstreifen – in schönem Amtsdeutsch als „Straßenbegleitgrün“ bekannt – steppenhaft-verbrannter Gelbton dominiert, treibt an früheren Standorten von Bäumen das Unkraut in voller Pracht. Aus einem Baumstumpf wächst es derart raumgreifend, als wolle es Besitz nehmen von den wenige Meter entfernt sitzenden Gästen eines Restaurants.
An vielen Stellen wird es durch den Bewuchs längst eng auf den Gehwegen. Es wächst in alle Höhen und Richtungen, hinaus über die Bordsteinkante, blockiert Parkplätze geradezu so, als würde sich die Natur den städtischen Raum, einer Utopie gleich, zurückerobern.
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Aus einem anderen Stumpf ist ein neuer, noch sehr dünner Stamm erwachsen. Dessen Äste hängen so niedrig und angesichts der Trockenheit doch erstaunlich dicht gewachsen über dem Gehweg, dass darunter kaum jemand durchgehen kann, der dem Grundschulalter entwachsen ist. Ein paar Tage später ist das Passieren dann problemlos möglich, das Grünflächenamt oder zupackende Anwohner haben das Geäst radikal zurückgeschnitten, bis auf den Baumstamm, der in eine beachtliche Höhe ragt.
Dass es sprießt, wächst und gedeiht, liegt an der Anpassungsfähigkeit verschiedener Pflanzen, die sich ihre Nischen suchen. Auch deshalb wuchert der Wildwuchs jedes Jahr aufs Neue zwischen den Bordsteinplatten, essbare Wildkräuter sind darunter, Kulturfolger wie die Mäusegerste – und den Löwenzahn kennt man tatsächlich nicht nur aus dem Vorspann der gleichnamigen TV-Serie.
Wenn kein Wasser verdunstet, steigt die Temperatur des Bodens. Gerade dort, wo der Boden wenig oder – wie im Straßenraum – gar nicht gepflügt wird, kann das Wasser nach Trockenheit kaum abfließen, was den Wuchs mancher Pflanzen begünstigt, die wir unwissend als Unkraut abstempeln. Freuen wir uns doch lieber über etwas Grün.