Stadtbild: Von wegen Rüpelradler
Berlin - Selbst schuld! Das wird manch einer denken, wenn er liest, dass die Zahl der tödlich verunglückten Fahrradfahrer in Berlin 2012 um die Hälfte gestiegen ist. 50 Prozent mehr tote Radler – eine so drastische Zunahme hat es in dieser Stadt schon seit langem nicht gegeben. Selbst schuld! Ist doch so. Oder?
Jeder Berliner kann Geschichten von Rüpeln auf zwei Rädern erzählen. Fußgänger mokieren sich, wie Radfahrer ihnen auf ohnehin mit Gerüsten oder Tischen zugestellten Gehwegen den Platz streitig machen und dabei vor allem Ältere und Kinder in Angst versetzen. Autofahrer berichten von Kamikaze-Radlern, die bei Dunkelheit plötzlich ohne Licht auf der Fahrbahn auftauchten.
Kaum ein Fall, in der die Wut nicht berechtigt ist. Doch eine Erklärung dafür, warum immer mehr Radler im Verkehr sterben, lässt sich aus diesen Erfahrungen nicht gewinnen. Denn es ist tatsächlich so, dass schwere Radfahrerunfälle oft andere Ursachen haben.
Traurig, aber wahr: Allein sechs Radfahrer kamen bislang in diesem Jahr ums Leben, weil sie von Fahrern schwerer Kraftfahrzeuge beim Abbiegen übersehen wurden. Seit Jahren wird über dieses Problem diskutiert, und es ist kaum zu fassen, dass es immer noch nicht aus der Welt geschafft wurde – durch bessere Lkw-Rückspiegel und den konsequenten Umbau von Kreuzungen. Einstweilen kann man Radfahrern nur raten, auf die Vorfahrt zu verzichten, wenn ihnen ein Lkw in die Quere zu kommen droht. In mindestens drei Fällen waren Autofahrer schuld, dass Radler starben.
Nicht zu vergessen: Meist waren es Ältere, die radelnd unter die Räder kamen und starben?– nicht etwa junge Leute, die generell im Verdacht des Rüpelradelns stehen. 15 tote Radfahrer in diesem Jahr: Zeichen eines traurigen Trends, der sich nicht mit Alltagserfahrungen erklären lässt.