Berlin - Das weiß jeder: Einen Euro kann man nur einmal ausgeben. Berlin scheint auf dem Wege zu sein zu lernen. Auch ein Grundstück kann man nur einmal vergeben. Dann liegt die Nutzung, so oder so, fest und erfreut nicht nur den Nutzer, sondern erfreut oder verärgert auf Dauer auch seine Nachbarn oder die ganze Stadt. Noch prekärer wird es bei einem Ensemble von Grundstücken. Da kann auch nur eine einzige falsche Grundstücksvergabe den ganzen Brei verderben und den Wert der Gesamtfläche herunterziehen.
Keiner wird bestreiten, dass der ehemalige Tempelhofer Flughafen zusammen mit dem Tempelhofer Feld ein solches Ensemble ist. Ein Gelände, das wie kein anderes für einen Reichtum unserer Stadt steht, der bei allem Alltagsgewusel kaum Beachtung findet: Dass wir Platz zum Wachsen haben, Platz für zukünftige Entwicklungen – und das auch in unserem inneren Stadtbereich.
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Um welche Entwicklungen es in 20 bis 30 Jahren gehen wird, kann heute keiner wissen. Der Berliner Standortvorteil ist jedoch, dass wir in die nächsten Jahrzehnte hinein für gewichtige Entwicklungen unserer Stadt zentrale Lagen werden anbieten können. Davon können Paris, London, New York nur träumen. Das ist ein Vorzug Berlins gegenüber unseren nationalen und internationalen Konkurrenten. Wir werden nicht darauf angewiesen sein, unsere Zukunft notgedrungen „nach draußen“ zu verweisen.
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Das Tempelhofer Feld ist ohnehin ein ganz besonderer Schatz. Das für die Stadt wichtigste innere Entwicklungsgebiet für morgen ist schon heute attraktiv genutzt. Es liegt nicht nutzlos und als Brache herum. Von Bread & Butter bis hin zu den Drachenfliegern – man müsste für die aktuelle Nutzung solche Flächen geradezu erfinden, so gut und erfolgreich werden sie angenommen.
Und zugleich und vor allem ist es eine historische Adresse, weit mehr als eine Ansammlung von Grundstücken, die ihrer Bebauung harren. Es ist eine der Adressen, die im letzten Jahrhundert Berlin auf die Weltkarte gebracht hat. Und es ist ein ungeheures Baudenkmal, das der Fläche die Krone aufsetzt. Und innerstädtisch in den letzten Jahrzehnten umstritten: als Flughafen waghalsig und nach seiner Schließung schmerzlich vermisst.
Vom See bis hin zu Wohnungen
Was aber geschieht jetzt? Es scheint „Frieden“ einzukehren. Mehr oder weniger betuliche Nutzungen finden sich ein, vom See bis hin zu Wohnungen. Wie halt in so manchen Vorstädten Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg Siedlungen entstanden sind. Auch dafür gab es Masterpläne, wie wir sie jetzt für Tempelhof zu sehen bekommen. Nichts Böses, aber: Verdient Tempelhof solch eine Normalität?
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Das zentrale Gegenargument: Aktuell gibt es neuen Wohnungsbedarf. Aber muss man dann in typischer Berliner Aufgeregtheit gleich an die Flächen rangehen, die unser Zukunftskapital sind? An eine solche Zukunft glauben wir doch. Noch wichtiger: Wir werden sie brauchen.
Das ist wieder das Thema des nur einmal auszugebenden Euro. Nicht nur finanziell, auch in unserem Flächenangebot sollten wir lernen zu haushalten. Und vor allem: Überall in der Innenstadt gibt es noch Flächen, die nach Wohnungsbau rufen. Flächen, die Wunden, wirkliche Lücken im städtischen Zusammenhalt sind. Wo Wohnungsbau Stadt bauen würde.
Man sollte den Druck auf diese, für die Stadtentwicklung so wichtigen Bebauungen nicht herausnehmen. Wann denn sonst, wenn nicht zum Zeitpunkt gesteigerter Nachfrage kann man sie endlich in den Griff bekommen? Richtig ist, dass das mehr Mühe macht, schwieriger ist. Bekanntlich ist es aber auch keine leichte Übung, sparsam mit Geld umzugehen.
Das Tempelhofer Feld ist nicht nur einfach groß. Es ist großartig. Dieser Großartigkeit muss jeder Umgang mit ihm gerecht werden.
Volker Hassemer, 69 Jahre, ist Vorstandsvorsitzender der Stiftung Zukunft Berlin. Die gemeinnützige Organisation besteht aus einem Netz von mehr als 200 Bürgern und mischt sich immer wieder in gesellschaftliche Debatten ein. Hassemer (CDU) amtierte von 1981 bis 1989 und von 1991 bis 1996 als Senator in der Berliner Landesregierung, zuletzt war er zuständig für das Ressort Stadtentwicklung.