Stadtforum zum Klimaschutz: Kein leichter Weg zum klimaneutralen Berlin
Theoretisch ist eigentlich niemand gegen den Klimaschutz, wenn es aber an die praktische Umsetzung geht, gibt es oft Protest und Konflikte. Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) zählte am Donnerstagabend beim Stadtforum „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität. Klimaneutrales Berlin?“ einige vorhandene oder erwartbare Konfliktfelder auf. Dass Berlin Wohnungen für rund 400.000 Zuzügler in den nächsten Jahren braucht, ist unstrittig.
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Aber da Geisel „lieber Parkplätze als grüne Parks“ bebaut, gibt es prompt Ärger mit Anwohnern, denen ihr Abstellplatz verlustig gehen soll. Ähnliches gilt auf den Straßen für die Platzkonkurrenz zwischen CO2 -emittierenden Autos und umweltfreundlichen Fahrrädern. „Das müssen wir ausfechten“, sagte der Senator.
Das muntere Publikum im vollen Saal des Berliner Berliner Verlags am Alexanderplatz griff das gern konkret auf: Warum die Fahrradmitnahme in den Zügen nach Brandenburg so begrenzt sei und so die Leute geradezu ins klimaschädliche Auto gedrängt werden? Warum werden alte Braunkohlekraftwerke mit ihrem hohen Kohlendioxidausstoß weitere Jahre auf Kosten der Stromkunden erhalten, während man gleichzeitig den Bürgern empfehle, sich im Alltag möglichst klimaschonend zu verhalten?
Nicht alles konnten Geisel und geladene Experten auf dem Podium zur jeweiligen Zufriedenheit des Fragestellers beantworten. „Aber die Debatte um das Klimaschutzkonzept für Berlin hat erst begonnen“, sagte Geisel. Man werde sich noch oft treffen und mit der Stadtgesellschaft ausdiskutieren müssen, welche Maßnahmen notwendig seien, um Berlin bis 2050 „klimaneutral“ zu machen – sich also praktisch vom Verbrauch fossiler Energien wie Kohle und Öl zu verabschieden.
Bis dahin sind es noch 35 lange Jahre, aber die Zeit ist angesichts der zu bewältigenden Aufgaben kurz. Denn der Anteil an erneuerbaren Energien an Berlins Versorgung liegt nur bei 3,6 Prozent, sagte Bernd Hirschl vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung. Und die energetische Sanierung des Berliner Gebäudebestandes gehe nur mit der Hälfte der Geschwindigkeit vor sich, die eigentlich nötig wäre, um das Klimaziel zu erreichen. Etwa 50 Prozent des Energieverbrauchs geht fürs Heizen drauf.
Wie das Ziel zu schaffen ist, darüber diskutieren bereits seit etwa einem Jahr auf Einladung der Stadtentwicklungsverwaltung Experten und interessierte Bürger. Anregungen und Kritik fließen in ein soeben vorgelegtes Energiewendegesetz und ein begleitendes Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK) ein, das konkrete Maßnahmen beschreibt.
Klimaschutz in den Alltag schrittweise integrieren
Nicht alles werde in der Stadt Begeisterung auslösen, vermutet Umweltstaatssekretär Christian Gaebler, auch bei ihm nicht. Er habe gerade eine weite Urlaubsfernreise hinter sich, und er sei sich nicht sicher, ob er darauf künftig verzichten wolle. Aber es führe kein Weg daran vorbei, Klimaschutz in den Alltag schrittweise zu integrieren - und zwar nicht mit Zwang, sondern mit Argumenten und Überzeugung. Geisel verwies auf frühere Klimaschützgesetz-Entwürfe unter Rot-Rot, die wegen Dirigismus keine Akzeptanz fanden und scheiterten.
Podiumsgast Pierre Baigorry, besser bekannt als Peter Fox, lehnt zwar pauschale Politikerschelte klar ab, verlangt jedoch von den gewählten Verantwortlichen, dass sie die politische Führung übernehmen. Denn die Auswirkungen des Klimawandels auf die Welt samt dramatischen sozialen Folgen seien schwerwiegend.
Der Musiker engagiert sich politisch mit anderen Künstlern in der Initiative „Geht-auch-anders“. Die Verantwortung für den Klimaschutz könne die Politik nicht einfach beim Bürger abladen, forderten auch zwei Experten. Zumal der Bürger einerseits zum Konsum aufgefordert und gleichzeitig wegen negativer Folgen fürs Klima davor gewarnt werde. Auch dieser Zielkonflikt muss noch ausdiskutiert werden.