Stadthonigfest: Können Bienen schwitzen?
Schwitzen Bienen eigentlich auch? Das ist eine Frage, die gar nicht so abwegig erscheint, angesichts der mächtigen Hitze, die am Sonnabend über der Stadt liegt. Während sich viele Besucher des 4. Stadthonigfestes im Kreuzberger Prinzessinnengarten erst einmal in den Schatten der vielen Bäume setzen, um durchzuatmen, fliegen die Bienen scheinbar ungerührt von der Hitze umher. Die Antwort auf die Frage überrascht schon, denn Bienen sind ihre eigene Klimaanlage.
„Meist sind im Bienenstock etwa 35 Grad“, sagt Imker Rainer Kaufmann. Wenn es aber zu warm wird, schwärmen die Bienen aus, kehren mit Wassertropfen zurück und verteilen das kühle Nass überall. „Dann bilden sie im Stock lange Ketten bis zum Eingang und wedeln mit den Flügeln die Hitze nach draußen.“
Imkerei und Großstadt – das war lange Zeit eher ein Widerspruch. Inzwischen ist es so etwas wie eine Erfolgsgeschichte. „Seit etwa fünf Jahren gibt es diesen Kult um die Imkerei in Berlin“, erzählt Rainer Kaufmann, der vor einigen Monaten den Berliner Ableger des Netzwerkes Blühende Landschaften mitgegründet hat. Inzwischen gibt es fast 1 000 Imker in der Stadt – im weiten Brandenburg sind es nur drei Mal mehr.
„Gerade in Berlin gibt es ein großes Interesse daran, woher die Lebensmittel kommen und wie sie produziert werden“, sagt Udo Tremmel vom Verein Slow Food Berlin, der das Stadthonigfest mitveranstaltet. „Nicht umsonst ist Berlin bundesweit der größte Abnehmer für Bioprodukte.“
Und je mehr die Landwirtschaft in den vergangenen Jahren industrialisiert wurde, um sehr mehr setzen vor allem die Berliner auf nachhaltig produzierte Lebensmittel.
Das Interesse ist auch an diesem heißen Tag sehr groß. Etwa 800 Leute kommen in den Prinzessinnengarten, schlendern an den Ständen der Imker aus allen Stadtteilen vorbei, informieren sich, kosten und kaufen Honig. Oder sie erwerben Samen für Bäume, die wie die Bienenweide bei den kleinen Honigmachern so beliebt sind. Oder die Leute melden sich für einen Imkerkurs an. Allein Kaufmann und seine Mitstreiter bilden dieses Jahr 50 Neuimker aus. „Es gab aber 120 Anmeldungen“, sagt er.
Berlin ist nicht nur eine Hochburg der Hobbyimker, sondern die Großstadtbienen machen auch noch einen viel schmackhafteren Honig als die Landbienen. Davon ist nicht nur Rainer Kaufmann überzeugt. Da hilft nur ein Test. Tatsächlich: Dieser Berliner Frühlingshonig ist süß, aber nicht zu süß. Dazu leicht herb, vor allem aber hat er einen langen angenehmen Nachgeschmack und verklebt die Geschmacksnerven nicht mit der sonst oft üblichen massiven Süße.
Berliner Imker erklären diese „Tiefe“ des Geschmacks mit der Vielfalt an Blüten, die Berlin zu bieten hat. Honig, der nur nach einer Blüte schmeckt – egal, ob Kastanie oder Linde –, sei oft etwas langweilig. „Ich habe meinen Honig testen lassen“, erzählt Imker Rainer Kaufmann (49) aus Pankow. „Da waren 530 Blüten drin.“ Linde, Königskerze, Himbeere, Spitzahorn, Götterbaum, Kartoffelrose und auch wilder Wein. Und viele viele mehr.
In Brandenburg würden vor allem Monokulturen wie Raps angebaut, da fänden die Bienen kaum noch Wildkräuter oder andere leckere Blüten. Wer hätte gedacht, dass viele Wanderimker extra nach Berlin kommen, damit ihre Bienen hier ausschwärmen. „Berlin ist für Insekten ein wahres Paradies“, sagt Rainer Kaufmann, der im Hauptberuf Ausstellungsproduzent ist und nebenbei ein wahrer Kämpfer für den Erhalt der wilden Wiesen.
Denn Imker sehen die Stadt mit anderen Augen. Sehen, wo was blüht oder wo Blüten massenhaft vernichtet werden. Oft gedankenlos. Deshalb schreiben die Imker an Stadträte, damit zum Beispiel die kilometerlangen Wiesen entlang der Straßenbahngleise nicht ausgerechnet dann gemäht werden, wenn die Blüte dort gerade so richtig losgeht. „Wir wollen doch nur, dass die Mähkommandos etwas später rollen“, sagt er. „Damit die blühende Vielfalt Berlins erhalten bleibt.“