Stadtverkehr Berlin: Die Autobahnen sind leerer geworden

Mehr Autos, mehr Abgase, mehr Staus: In den meisten Metropolen nimmt der Verkehr zu. Doch Berlin ist auch in dieser Hinsicht anders als andere große Städte. Denn hier hat der Kraftfahrzeugverkehr auf mehreren Autobahnabschnitten abgenommen. Zu diesem überraschenden Ergebnis kommt ein Vergleich von offiziellen Zähldaten, die von der Bundesanstalt für Straßenwesen zusammengestellt worden sind. Ob Avus, A 100, A 111 oder A 114: Seit 2002 sank die Belastung meist.

Wer vorbeifährt, wird gezählt: Mehr als 700 Dauerzählstellen ermitteln, wie viele Autos und Lastwagen auf deutschen Autobahnen unterwegs sind. Häufig handelt es sich um Induktionsschleifen – in die Fahrbahn eingelassene Kabel, die auf Kraftfahrzeuge reagieren.

Die Technik gilt als robust und unbestechlich. Berliner Autobahnen sind mit elf automatischen Zählstellen ausgestattet, in Brandenburg gibt es doppelt so viele. Die Bundesanstalt für Straßenwesen, ein Forschungsinstitut des Verkehrsministeriums, stellt die Statistik zusammen. Weil das Zeit benötigt, ist die jüngste von 2012.

Parkgebühren schrecken ab

Autofahrer haben das Gefühl, dass die Straßen immer voller werden. Doch die objektiven Zahlen widersprechen diesem subjektiven Eindruck. Einige Beispiele: Hatte die Zählstelle am Ring in Halensee 2002 im Durchschnitt 189 946 Fahrzeuge pro Tag registriert, waren es zehn Jahre später 161 159. Auf dem Ring in Westend ging die ermittelte Belastung von 148 502 auf 143 955 Fahrzeuge zurück, auf der Autobahn im Pankower Ortsteil Buchholz von 34 088 auf 31 594.

Auch die Zählstelle Reinickendorf wurde seltener aktiviert. Für die Zählstelle auf der Avus bei Eichkamp galt das ebenfalls – was aber möglicherweise an den dortigen Bauarbeiten lag. Allerdings ging im Vergleich zu 2011 auch der Verkehr an der benachbarten Autobahnzählstelle in Drewitz zurück, und dort wurde nicht gebaut.

Vor allem in der City West ging der Verkehr zurück

Die Zählergebnisse zeigen einen Berlin-Trend an, der nicht nur auf den Autobahnen zu spüren ist, sagte Martin Schlegel, Verkehrsreferent beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND): „Auch auf den meisten Hauptverkehrsstraßen ging der Verkehr zurück, vor allem in der City West“, sagte er.

Diese Entwicklung hat schon vor längerer Zeit eingesetzt. Die verkehrspolitische Strategie, den Autoverkehr in der Innenstadt zu dämpfen, gehe auf, erklärte der Senat. Bahnen und Fahrräder würden stärker genutzt. Viele Parkplätze seien gebührenpflichtig geworden.

Aber auch die langjährige wirtschaftliche Stagnation in Berlin wirkte sich aus: Wenn Einkommen sinken, werde weniger Auto gefahren. Ohnehin habe Berlin einen der niedrigsten Motorisierungsgrade in Europa, und rund die Hälfte der Haushalte verfüge über keinen eigenen Wagen, hieß es. Eine Autostadt sei Berlin nicht.

Smartphone wichtiger als Pkw

Martin Schlegel sieht in Berlin auch einen generellen Trend bestätigt: „In Großstädten hat der eigene Pkw für junge Menschen keinen hohen Stellenwert mehr, für viele ist das Smartphone wichtiger als ein Auto. Das Thema rückt häufig erst in den Mittelpunkt, wenn Familien gegründet werden.“

Doch für Jörg Becker vom ADAC ist die Statistik kein Grund zur Entwarnung. „Dass die Zahlen gesunken sind, kann mit Staus zu tun haben: Je zähflüssiger der Verkehr ist, desto weniger Autos können durchgeschleust werden“, sagte er. Der Ring sei weiterhin sehr voll, und auf dem Abschnitt in Neukölln, wo die Autobahn aus Schönefeld einmündet, nehme der Verkehr zu. Und immer wieder müsse der Britzer Tunnel wegen zu hoher Belastung gesperrt werden.

Auch der Pendlerverkehr ins Umland wachse weiter an, so Becker. Hatte die Zählstelle Heiligensee 2002 täglich 38 165 Kraftfahrzeuge registriert, waren es zehn Jahre später schon 48 046. In Brandenburg seien mehr Lkw unterwegs, etwa auf dem Berliner Ring.

Mehr Fahrgäste bei der S-Bahn und der BVG

Wie wird sich der Verkehr weiterentwickeln? Eine spannende Frage, meinte Martin Schlegel. „Wir werden sehen, wie sich die positive wirtschaftliche Entwicklung auswirkt. Die BVG und die S-Bahn melden steigende Fahrgastzahlen.“ Aber offenbar sei auch auf den Straßen mehr los: „Ich habe den Eindruck, dass der Autoverkehr 2013 zugenommen hat.“ Die Statistik wird es zeigen.