Stasi-Debatte: Berliner Humboldt-Universität kündigt Andrej Holm - Tumulte im Saal
Berlin - Der Stadtsoziologe und zurückgetretene Bau-Staatssekretärs Andrej Holm hat nun auch seine Anstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sozialwissenschaften an der Berliner Humboldt-Universität verloren. HU-Präsidentin Sabine Kunst sagte am Mitttwoch bei einer Pressekonferenz, dass ihm "ordentlich gekündigt" werde.
Daraufhin gab es Tumulte im Saal unter den anwesenden Studierenden und lautstarke Proteste: Sie forderten, dass Holm Mitarbeiter an der Universität bleiben müsse. „Das ist sehr, sehr dünnes Eis, auf das Sie sich da begeben“, drohten sie Kunst.
Die Entscheidung sei gegen den Willen der Studenten und vieler Wissenschaftler getroffen worden. Die Begründung für die Entlassung sei heuchlerisch. Sie warfen der HU-Präsidentin vor, als SPD-Mitglied politisch entschieden zu haben.
"Sie sollten mir erst einmal zuhören", sagte Kunst. Als Reaktion gab es im Saal "Kunst muss weg"-Rufe.
Zur Begründung sagte Kunst, dass die Kündigung ausdrücklich nicht auf seiner Tätigkeit für die Stasi beruhe, sondern auf Täuschung der Humboldt-Uni hinsichtlich seiner Biografie. "Die gegenüber der HU abgegebene Stellungnahme und die öffentlichen Äußerungen von Herrn Dr. Holm zeigen, dass er nicht bereit ist, seine Falschangaben gegenüber der HU einzuräumen und sich von ihnen zu distanzieren", sagte Kunst. Sie sprach weiter von "arglistiger Täuschung".
"Ich bedauere diese Entscheidung sehr, weil die Humboldt-Universität einen renommierten und anerkannten Stadtsoziologen mit großer wissenschaftlicher Reputation verliert", so Kunst. Seine Lehrveranstaltungen seien bei den Studierenden besonders geschätzt gewesen. Die HU habe versucht, das Arbeitsverhältnis "einvernehmlich aufzulösen" - Holm habe diesen "fast schon vereinbarten Weg" jeodch verworfen.
Hätte Holm seine Stasi-Tätigkeit 2005 wahrheitsgemäß offen gelegt, wäre laut Kunst "eine Einstellung auch nach den aktuell vorliegenden Informationen möglich gewesen".
Hauptamtliche Stasi-Tätigkeit verneint
Holm, der wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität war, hatte 2005 im Personalfragebogen verneint, hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter gewesen zu sein. Inzwischen begründet er das mit Erinnerungslücken. Ihm sei zudem nicht klar gewesen, dass seine Tätigkeit für den Geheimdienst zur Wendezeit als hauptamtliche Mitarbeit galt.
Der Stadtsoziologe und wissenschaftliche Mitarbeiter der Uni war für seine Tätigkeit in der Landesregierung beurlaubt worden. Holm war am Montag nach wochenlanger Diskussion über den Umgang mit seiner Stasi-Vergangenheit als Staatssekretär zurückgetreten.
Rot-Rot-Grün will Lehren aus Stasi-Streit ziehen
Unterdessen hat auch Rot-Rot-Grün Konseuqenzen aus den vergangenen Wochen gezogen. SPD, Linke und Grüne hätten verabredet, „besser miteinander zu kommunizieren“, sagte Regierungschef Michael Müller (SPD) am Mittwoch nach einer Sitzung des Koalitionsausschusses im Roten Rathaus.
Ziel müsse sein, besser aufeinander einzugehen und „frühzeitiger und sensibler“ das aufzunehmen, was Parteien, Fraktionen und handelnde Personen beschäftige. „Wir müssen uns gegenseitig schneller und früher informieren“, sagte die Linke-Vorsitzende Katina Schubert. (mit dpa)