Steuerzahlerbund: Verteilung von Ministerien auf Berlin und Bonn beenden
Bisher regelt das Berlin/Bonn-Gesetz die Verteilung von Behörden zwischen Bonn und Berlin. Doch ein Zusatz zum Gesetz facht die Kritik daran an.

Der Bund der Steuerzahler warnt vor neuen Kosten durch die Aufteilung der Bundesregierung auf die Standorte Berlin und Bonn. Der Grund: Im Koalitionsvertrag kündigen SPD, Grüne und FDP nicht nur an, dass sie zum Berlin/Bonn-Gesetz von 1994 „stehen“, in dem die Aufteilung der Ministerien auf die Städte am Rhein und an der Spree festgeschrieben ist. Die Ampel-Koalitionäre versprechen darüber hinaus, dass der Bund hierzu „mit der Region Bonn sowie den Ländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz eine vertragliche Zusatzvereinbarung abschließen“ werde.
Für den Bund der Steuerzahler ist das nicht hinnehmbar. „Seit Jahren fordern wir ein Aus des Berlin/Bonn-Gesetzes, um der teuren und ineffizienten Regierungsteilung ein Ende zu setzen“, sagt Reiner Holznagel, der Präsident des Steuerzahlerbundes. Doch die Ampel-Regierung wolle nun „trotz der selbst provozierten Schieflage des Gesetzes weiteres Steuergeld in die wirtschaftlich gut dastehende Region Bonn stecken“. Allein für die Vorarbeiten zur Erstellung, Abstimmung und Verhandlung der Zusatzvereinbarung sollten dieses Jahr zehn Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt fließen.
23 Jahre nach dem Umzug des Bundestags und der Bundesregierung von Bonn nach Berlin sei jedoch Zeit, um die Verteilung der Ministerien auf zwei Städte zu beenden. Ohnehin habe sich das Berlin/Bonn-Gesetz überholt, weil die Vorgabe, dass insgesamt der größte Teil der Arbeitsplätze der Bundesministerien in der Bundesstadt Bonn erhalten bleiben soll, schon seit langem nicht mehr eingehalten werde. Laut Teilungskostenbericht der Bundesregierung, der alle zwei Jahre Auskunft über die Ausgaben des doppelten Regierungssitzes gebe, seien schon seit dem Jahr 2008 mehr Ministerialbeamte in Berlin angesiedelt als in Bonn. Inzwischen arbeiteten 71,3 Prozent der Beamten an der Spree, nur noch 28,7 Prozent in Bonn. Mit dem Bundesjustizministerium habe ein Regierungsressort inzwischen sogar gar keine Stellen mehr in Bonn.
Umzug kostete umgerechnet rund zehn Milliarden Euro
Hintergrund: Mit dem Berlin/Bonn-Gesetz von 1994 sollte der Beschluss des Bundestages vom 20. Juni 1991 rechtlich umgesetzt werden, dass Bundesregierung und Bundestag ihren Sitz nach Berlin verlegen.
Zugleich regelte das Gesetz, dass „insgesamt der größte Teil der Arbeitsplätze der Bundesministerien in der Bundesstadt Bonn erhalten“ bleiben sollte. Die Kosten für den Umzug wurden auf 20 Milliarden D-Mark, umgerechnet rund zehn Milliarden Euro, begrenzt. Darin enthalten war auch ein finanzieller Ausgleich für die Region Bonn. Im Gesetz wurde zudem festgelegt, dass zahlreiche Bundesinstitutionen ihren Sitz – und damit Arbeitsplätze – nach Bonn verlegen, darunter der Bundesrechnungshof, das Bundeskartellamt und die Postbank. 1999 nahmen Bundestag und Bundesregierung ihre Arbeit in Berlin auf. Inzwischen arbeiten 16.854 Mitarbeiter der Ministerien in Berlin, 6784 in Bonn, jeweils bezogen auf die Zahl der Stellen.
Das Bundesbauministerium verteidigt die nun geplante Zusatzvereinbarung zum Berlin/Bonn-Gesetz. „Die Ausgleichsvereinbarungen infolge des Berlin/Bonn-Gesetzes, das im Jahr 1994 verabschiedet wurde, sind weitgehend umgesetzt“, erklärte eine Sprecherin. Bonn und die anschließende Region hätten „die Herausforderungen angenommen und die strukturellen Veränderungen positiv bewältigt“. Allerdings gebe es „angesichts der politischen und gesellschaftlichen Veränderungen neue Anforderungen an die Aufgabenverteilung zwischen den beiden Städten und neue Herausforderungen für Bonn und seine Region“, so die Sprecherin.
Die Bezeichnung Bonns als Bundesstadt im Berlin/Bonn-Gesetz mache deutlich, dass Bonn als zweites politisches Zentrum der Bundesrepublik wichtige Aufgaben übernehme. „Ein Zusatzvertrag soll daher künftige Schwerpunkte und Aufgaben festlegen“, so die Sprecherin. Von der Vereinbarung solle „die gesamte Bundesrepublik profitieren“. Daher müssten die Bundesstadt Bonn und die Region in den Verhandlungen „Schwerpunktthemen für künftige Investitionen benennen und deutlich machen, welche Funktionen für unser Land wichtig sind und ausgebaut werden“ sollen. „Etwa Investitionen in Bonn als Standort der Vereinten Nationen, als Zentrum für die internationale Zusammenarbeit, die wir angesichts der internationalen Krisen und Kriege mehr denn je brauchen, oder in den Wissenschafts-, Technologie- und Kulturstandort“, so die Sprecherin des Bauministeriums.
Mittel wurden für die Konzeptionierung eingestellt
Im ersten Schritt seien im Haushalt 2022 finanzielle Mittel in einer Höhe von zehn Millionen Euro „für die Konzeptionierung der Zusatzvereinbarung eingestellt“. In einer ganzen Reihe von Gesprächen zwischen den Partnern sollen den Angaben nach „die Schwerpunktthemen definiert werden“, so die Sprecherin. „Wir erarbeiten jetzt gemeinsam ein tragfähiges Konzept“, sagte sie. In welchem Umfang weitere Mittel in die Region Bonn fließen soll, lässt sich nach Angaben der Sprecherin noch nicht sagen. „Es ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um schon über eine weitere Mittelausstattung zu spekulieren“, erklärte sie.
In Bonn werden die Signale der Ampel-Regierung erwartungsgemäß positiv aufgenommen. „Dankenswerterweise hat die für die Zusatzvereinbarung zum Berlin/Bonn-Gesetz zuständige Bundesbauministerin, Klara Geywitz, zugesagt, mit Bonn und der Region bis zum Herbst 2023 die Eckpunkte für eine solche Vereinbarung auszuhandeln und dazu bereits erste Gespräche geführt“, erklärte die Pressesprecherin der Stadt, Barbara Löcherbach. Die Zusatzvereinbarung stelle für die Region Bonn/Rhein-Sieg/Ahrweiler/Neuwied eine „unverzichtbare Unterstützung und Stärkung seitens des Bundes dar“, so Löcherbach. „Gemeinsames Ziel aller Beteiligten wird es dabei sein, Bonn als zweites bundespolitisches Zentrum zu erhalten und weiter auszubauen.“ Über die konkreten Projekte würden Bund, Länder und Region in der zweiten Jahreshälfte verhandeln.
Die Aufteilung der Ministerien auf Bonn und Berlin hat im vergangenen Jahr Kosten in Höhe von 3,26 Millionen Euro verursacht – das sind rund 5,9 Millionen Euro weniger als zwei Jahre zuvor. Der Rückgang der Kosten ist laut dem Teilungskostenbericht der Bundesregierung hauptsächlich auf weniger Dienstreisen in der Corona-Zeit zurückzuführen.