Straßenschild gekapert – Erinnerung an Opfer von Hanau-Anschlag
Wer hat das Straßenschild in Mitte gekapert? Der Name von Vili Viorel Păun, eines der Opfer des rassistischen Anschlags in Hanau 2020, steht da jetzt drauf.

An der Volksbühne in Mitte ist ein Straßenschild überklebt. Aus der Weydingerstraße wurde die Vili-Viorel-Păun-Straße. Wer ist das, fragte ich mich.
Beim Recherchieren im Internet erfahre ich, Vili Viorel Păun war ein 22-jähriger Rumäne, der bei dem Anschlag im hessischen Hanau am 20. Februar 2020 ermordet wurde. Täter war der 43-jährige Tobias Rathjen. Aus rassistischen und rechtsextremistischen Motiven erschoss er neun Menschen mit Migrationshintergrund, dann seine Mutter und sich selbst.
Ungünstige Entscheidungen, Tatsachen und falsche polizeiliche Handlungen
Der Kurierfahrer Vili Viorel Păun hatte die ersten Morde beobachtet und vergeblich versucht, die Polizei zu verständigen. Kurz darauf erschoss der Täter auch Vili Viorel Păun. Der nicht besetzte Polizeinotruf ist nur eine von mehreren falschen Entscheidungen und polizeilichen Handlungen vor, während und nach dem Attentat. Bis heute versucht ein Ermittlungsausschuss im hessischen Landtag zu klären, wie es dazu kam. Posthum verlieh Ministerpräsident Volker Bouffier die hessische Medaille für Zivilcourage an Vili Viorel Păun.
Verbitterung ist neben unendlicher Trauer das vorherrschende Gefühl bei den Angehörigen der Opfer, lese ich aus den Berichten der vergangenen drei Jahre heraus. Neben finanziellen Entschädigungszahlungen streiten sie um ein Denkmal für ihre Lieben.
Ein solches hat Hanau unter den Titel „Hanau steht zusammen“ zunächst digital installiert, erzählt mir eine Sprecherin der Stadt am Telefon. Sie hat noch nichts von Guerilla-Aktionen wie Straßenumbenennungen gehört.
Auch in Stuttgart brachten bereits Unbekannte Straßenschilder mit Namen von Hanau-Opfern an. Sie beziehen sich auf die US-Bewegung Say Their Names – der Slogan steht ebenfalls auf dem Berliner Schild. Diese Aktivisten verfolgen das Ziel, Opfer von rassistischen Morden in der Gesellschaft sichtbar zu machen.
Dann frage ich bei der Partei Die Linke an, deren Bundesgeschäftsstelle sich gegenüber dem Straßenschild befindet. Dort würde man eine Vili-Viorel-Păun-Straße begrüßen, heißt es. Parteivorsitzende Janine Wissler erklärt: „Das Erinnern an ihn und die anderen Opfer muss aufrechterhalten werden.“ Hanau sei der schwerste rassistische Anschlag in Deutschland, aber kein Einzelfall. Janine Wissler: „Der NSU, München, Halle, der Mord an Walter Lübcke, all das hat gezeigt, wie groß die Gefahr durch Rechtsterrorismus ist. Der Opfer aktiv zu gedenken bedeutet, sich überall dem Faschismus und Rassismus entgegenzustellen.“
In Rumänien gibt es bereits eine Vili-Viorel-Păun-Straße
Sie erinnert daran, dass 2013 in Friedrichshain Ähnliches wie jetzt hier in Mitte geschah. Bürgerinnen und Bürger kämpften erfolgreich dafür, eine Straße nach dem von Neonazis ermordeten Silvio Meier zu benennen.
In Rumänien, im Heimatort von Vili Viorel Păun, gibt es bereits eine nach ihm benannte Straße, lese ich auf Zeit Online. Sie führt an seinem Elternhaus entlang zum Friedhof, auf dem er begraben ist.