Strausberg: Wie ein Poller eine ganze Stadt verärgert
„Halt innerstädtische Grenze“ und „ Achtung, Sie verlassen jetzt Nord-Altstadt“. Ein Spaßvogel hat das Schild an den rot-weiß gestreiften Poller in der Großen Straße in Strausberg geheftet.
Doch Lachen kann darüber kaum noch jemand in der 26.000-Einwohner Stadt vor den östlichen Toren Berlins im Landkreis Märkisch-Oderland. Denn tatsächlich teilt die dürre Stange die Stadt derzeit in zwei Lager.
Seit Januar stoppt der Poller in der Mitte der Großen Straße den kompletten Durchgangsverkehr in der Altstadt. Denn der Poller steht nicht irgendwo, sondern auf der wichtigsten Einkaufsstraße dieser ehemaligen Kreisstadt.
Die Stadtverordnetenversammlung hat das so entschieden, um „die Aufenthaltsqualität zu verbessern“. Doch die Händler und nicht wenige Strausberger wehren sich vehement gegen die Zufahrtssperre. Die einen fürchten Umsatzeinbußen, die anderen sind einfach genervt vom Verkehrschaos.
Poller weg, sonst Kunden weg
„Der Poller macht uns Händlern das Leben schwer“, sagt Jutta Philipp in der Fleischerei. „Überall feiern sie den Mauerfall und hier bauen sie neue Mauern auf“, ärgert sie sich. Zur Mittagszeit ist der Laden dennoch voll. Wer Klopse will, muss eben laufen oder außen herum fahren. Bis zum Pollerbau war die Große Straße eine beliebte Abkürzungsstrecke.
Die Umfahrung der Altstadt dauerte wegen der vielen Ampeln vielen Kunden zu lange. Die derzeit geltende Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 20 in der Großen Straße wurde früher oft nicht einhalten. „Aber deswegen kann man doch nicht gleich die ganze Straße dicht machen“, sagt Jutta Philipp.
Auch Gitta Leim von schräg gegenüber hat im Schaufenster ihrer Boutique namens Laufsteg große gelbe Plakate aufgehängt. „Poller weg, sonst Kunden weg, dann wir weg“, steht da.
Ihr Laufsteg befindet sich am Nordende der Straße. Wer mit dem Auto von Süden kommt, dreht vor dem Poller um, ohne eine neue Bluse gekauft zu haben. „Einige Politiker träumen von einer Fußgängerzone in Strausberg, vergleichen uns mit Wernigerode“, sagt Gitta Leim. Der wichtigsten Touristenstadt im Ostharz, die mit seiner schönen Altstadt die Touristenmassen anlockt.
Doch in Strausberg ist die Menge an Flaneuren und Touristen, zumindest jetzt im Februar, überschaubar. „Unsere Kunden sagen ganz bewusst, dass sie nun lieber woanders hinfahren, weil das Verkehrschaos in der Altstadt sie nervt“, sagt Gitta Leim.
Und tatsächlich ist der Poller, und damit die verbotene Durchfahrt, nirgendwo ausgeschildert.
Der Poller ist ein Kompromiss
Im Minutentakt wenden Autos auf der engen Straße. Die Einzelhändler haben Angst, dass es ihnen so ergeht, wie den Kollegen in Wriezen. Die Stadt 25 Kilometer weiter nordöstlich gilt als mahnendes Beispiel. „Wriezen ist tot“, ist in den Geschäften zu hören. Trotz oder gerade wegen der Fußgängerzone stünden dort nach einem schleichenden Sterbeprozess nun 80 Prozent der Geschäfte leer.
Für die Einzelhändler an der Großen Straße in Strauberg macht der Vorsitzende des Gewerbevereins, Optiker und Bürgermeisterkandidat Thomas Frenzel, schon jetzt Umsatzeinbußen von mindestens 10 bis 30 Prozent.
Der Poller ist ein Kompromiss. Beschlossen in einer zerstrittenen Stadtverordnetenversammlung. „In einem ersten Schritt wurden Blumenkübel aufgestellt, um den Verkehr auszubremsen“, sagt Caroline Haitsch, die Sprecherin der Bürgermeisterin.
Doch auf die nette Tour beruhigte man den Verkehr nicht. Eine Zählung ergab für das Südende der Straße, dass ohne Blumenhindernisse 4200 Autos in 24 Stunden durchfuhren. Mit Kübelschikane waren es 3700. Für das Nordende sind die Zahlen noch ernüchternder. Vorher 3000 Pkw, nachher 3100.
Mehrheit gegen den Poller
Das Ziel, den Verkehr um 75 Prozent zu reduzieren, wurde klar verfehlt. Nun soll es der Poller richten. „Für viele Anwohner ist das eine Verbesserung“, sagt Caroline Haitsch.
Doch bei einer nicht repräsentativen Befragung durch die Händler sprach sich eine Mehrheit gegen den Poller aus. Auch der Vorsitzende des Ausschusses, Daniel Krebs, ist mit der derzeitigen Lösung nicht zufrieden. Vor der Bürgermeisterwahl am 25. Februar kam der Ausschuss noch einmal zusammen. Bei dieser Sitzung gehe es darum, die „verkehrsrechtliche Anordnung aufzuheben“, so Krebs. Das heißt: Der Poller könnte bald wieder kassiert werden. Über die Vorlage müsste eine außerordentliche Stadtverordnetenversammlung abstimmen.
„Kurz vor der Wahl kochte die Polemik noch mal richtig hoch“, sagt Goldschmied Dirk Schliebs. „Als hätten wir nicht genug andere Probleme.“
Die Wahl brachte keinen Sieger. Die Stichwahl der zwei verbleibenden Kandidatinnen ist am 11. März. Dann kommt die Poller-Frage wohl recht weit oben auf die Tagesordnung der neuen Rathaus-Chefin.