Nobelpreisträger über Straßenumbenennung in Berlin: „Eine wundervolle Nachricht“
Nach jahrelangem Streit wird die Robert-Rössle-Straße in Pankow umbenannt. Die Suche nach einem neuen Namen beginnt - er muss zwei Bedingungen erfüllen.

Diskussionen um den Namen einer Straße können groß werden, sehr groß, das weiß man in Berlin. In diesem Fall verfolgte sogar ein Medizinnobelpreisträger in den USA, wie es ausgehen würde. Es geht um die Robert-Rössle-Straße in Buch.
Seit mehr als sechs Jahren wird im Bezirk Pankow über ihren Namen diskutiert. Robert Rössle war Pathologe, ein hoch angesehener Mediziner. Und er war in den Nationalsozialismus verstrickt, mindestens als Direktor des Pathologischen Instituts der Charité, das er von 1929 bis 1948 leitete.
Nun hat die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Pankow entschieden: Sein Name soll aus dem Stadtbild verschwinden. Die Grünen hatten den Antrag im Januar eingebracht, er war noch einmal im Kulturausschuss diskutiert worden. In der BVV stimmten auch Linke, SPD und FDP schließlich dafür, die Straße umzubenennen.
Nobelpreisträger aus den USA: „Wundervolle Nachricht“
In den USA jubelte Bruce Beutler. Der Genetiker und Immunologe wurde 2011 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet. Seine Großeltern waren als Juden 1935 aus Berlin geflohen. Käthe Beutler, die Großmutter des Nobelpreisträgers, war Kinderärztin. Sie hat ihrem Enkel von Ausgrenzung, Verfolgung und Flucht erzählt, das hat ihn geprägt, hatte er in einem Gespräch mit der Berliner Zeitung berichtet.
Auf dem Campus Buch ist ein Haus nach Käthe Beutler benannt – in der Nähe der Rössle-Straße. Beutler gehörte zu denen, die die Umbenennung der Straße verlangten. Dass Pankow sich dafür entschieden habe, sei „eine wundervolle Nachricht“, schreibt Beutler nun.
Die Diskussion war von Ute Linz angestoßen worden, eine Medizinerin, die lange in Aachen geforscht hat und inzwischen in Berlin lebt. Ihr war der Straßenname auf einem Briefbogen aufgefallen, sie hatte sich in Recherchen zu Rössles Biografie vertieft. Sie freue sich sehr über den Beschluss der BVV, sagt sie. „Die sechseinhalb Jahre Überzeugungsarbeit erscheinen plötzlich viel kürzer.“
Auch Hannah Wettig, die für die Grünen in der BVV sitzt und den Antrag auf Umbenennung im Januar eingebracht hat, sagt: „Wir sind froh.“ Seit Ende der 1990er-Jahre sei in Pankow keine Straße umbenannt worden. Nun ist es beschlossen. Man ehre bald niemanden mehr, „dessen Karriere auf der Erforschung jüdischer Opfer des NS gründet“, schrieb Wettig auf Twitter.
Zwei Bedingungen für den neuen Namen
Die Karriere von Robert Rössle begann allerdings lange vor dem Nationalsozialismus, er war 1929, als er den Lehrstuhl an der Charité übernahm, bereits 53 Jahre alt. Der Posten am wichtigsten Universitätskrankenhaus Deutschlands krönte seine schon lange Laufbahn als Forscher. Wie tief Rössle nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in die Diktatur verstrickt war, ob er von Medizinverbrechen wusste oder gar beteiligt war, darüber haben Experten lange diskutiert.
An der Auseinandersetzung beteiligten sich unter anderem der Medizinhistoriker Udo Schagen, der viel zum Nationalsozialismus geforscht hat, und der Molekularbiologe und DDR-Bürgerrechtler Jens Reich. Reich positionierte sich gegen eine Umbenennung. Schagen sah Rössle als Mitläufer der Diktatur – so wie es Millionen andere Deutsche waren. Anwohner aus Buch hatten gegen eine Umbenennung protestiert.
Dieser Kampf ist vorüber. Nun wird in Pankow nach einem neuen Namen für die Straße gesucht. Zwei Bedingungen sind im Beschluss der BVV festgelegt: Es soll eine Frau geehrt werden, sie soll sich „um die Medizin verdient gemacht“ haben. Namensvorschläge wolle man bewusst nicht machen, sagt Hannah Wettig von den Grünen in der BVV. Die Anwohner seien aufgerufen, Ideen einzubringen. Dann beginne ein neuer Prozess. Wann wird der Name Rössle wirklich von den Straßenschildern verschwinde? „Das kann dauern“, sagt Wettig.