Studie: Arm und Reich leben in Berlin getrennt

In Berlin gibt es nicht nur relativ viele Geringverdiener – sie konzentrieren sich auch stärker als anderswo auf einzelne Viertel. In Städten wie München oder Köln ist die räumliche Trennung von Geringverdienern einerseits und Menschen mit mittlerem und hohem Gehalt andererseits längst nicht so ausgeprägt. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Dienstag veröffentlichte Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

Bundesweit sind 25 Prozent der Beschäftigten Geringverdiener, in Berlin sind es 29 Prozent. Diese Menschen erhalten weniger als zwei Drittel des mittleren Lohns, bei einer Vollzeit-Stelle waren dies zuletzt weniger als 1 733 Euro.

Besonders hoch ist der Anteil von Niedriglohn-Beziehern in Neukölln, Wedding und Marzahn. Dort gebe es „geschlossene Flächen von mehreren Quadratkilometern, wo mindestens jeder dritte Beschäftigte einen niedrigen Lohn bezieht“. Zu den Ursachen gehört, dass nach dem Mauerfall viele DDR-Betriebe abgewickelt wurden, gerade in der Werkzeugmaschinen-Industrie im Ostteil der Stadt gingen viele Jobs verloren. In Neukölln und Wedding wiederum arbeiteten viele Menschen in Wirtschaftszweigen wie dem Gastgewerbe, wo die Gehälter oft niedrig sind. Zudem gebe es dort noch relativ günstige Wohnungen.

Die Forscher verweisen aber auch darauf, dass in Berlin der soziale Wohnungsbau über Jahre nicht gefördert wurde. Viele finanziell schwache Menschen mussten aus teuren Innenstadt-Vierteln in die Randbezirke ziehen, betonte Dieter Pienkny, Sprecher des DGB-Bezirks Berlin-Brandenburg. Die Politik versuche erst jetzt gegenzusteuern, etwa mit der Mietpreisbremse.

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In München sind Geringverdiener nicht so stark auf einzelne Viertel konzentriert. Dort werde auch weiterhin sozialer Wohnungsbau betrieben, betont das IAB. Dabei würden die Projekte auf die ganze Stadt verteilt. Hinzu kommt, dass es in München mit 13 Prozent relativ wenige Geringverdiener gibt.

Stärker ausgeprägt als in Berlin ist die Trennung nur in Leipzig sowie in Frankfurt am Main, obwohl dort der Niedriglohnanteil relativ klein ist.

Aber ist es überhaupt schlimm, wenn Besserverdiener hier und Geringverdiener dort wohnen? Das kann ein Problem sein, sagte IAB-Forscherin Parvati Trübswetter: Jugendlichen in armen Vierteln fehlten Vorbilder, die einen guten Job haben. Auch Erwachsene hätten kaum Chancen, im Sportverein oder beim Plausch mit Nachbarn Tipps für eine gute Stelle zu finden. All dies bedeute aber nicht, dass in Stadtteilen mit vielen günstigen Wohnungen nur wegen der Mischung teure Wohnungen entstehen sollten.