Synästhesie Ausstellung Berlin: Drei plus Zwei = Grün

Eva-Maria Bolz ist Synästhetikerin, das heißt, ihre Sinne werden „vermischt“. Zahlen und Buchstaben haben Farben für sie. Ihre Begabung hat die Berliner Künstlerin und Typografin künstlerisch umgesetzt. Bolz’ Werke sind Teil der Ausstellung „Synaesthesia/4: Translating, Correcting, Archiving“ bei Art Laboratory Berlin.

Frau Bolz, wie funktioniert Ihre Art der Synästhesie?

Ich habe eine graphemische Synästhesie, das bedeutet, ich ordne schon seit ich denken kann jedem Buchstaben und jeder Ziffer eine bestimmte Farbe zu.

Welche Farbe hat zum Beispiel das Wort „ja“ für Sie?

Ja ist Grün aber auch Gelb. Das Wort besteht aus zwei Farben mit Farbverlauf.

Wann haben Sie gemerkt, dass Ihre Wahrnehmung anders funktioniert, als die anderer Menschen?

Als Grundschulkind dachte ich, das ist bei jedem anderen auch so. Deswegen habe ich die Synästhesie anfangs gar nicht thematisiert. Eines Tages hatte ich meinem Vater allerdings erzählt, dass ich mir das Einmaleins über Farben merke: Statt 2 x 4 = 8, Blau mal Rot = Braun. Mein Vater war Mathematiklehrer und ich dachte, ich ernte ein Lob für mein logisches Vorgehen. Stattdessen war da Fassungslosigkeit.

Das war sicher eine große Enttäuschung.

Es gab einen Moment, in dem dachte, ich hätte die Logik der Farbzuordnungen erfasst. Wir hatten gerade gelernt, dass man mit dem Farbkasten Grundfarben mischen kann. Da dachte ich: Die Addition 3 + 2 = 5 muss der Farbaddition Gelb (3) + Blau (2) = Grün entsprechen. Aber die Grün entspricht der 7 und die 5 ist bei mir Orange. Es hat alles nicht zusammengepasst.

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Ihre Arbeit „Der Innere Monitor“ ist jetzt bei Art Laboratory Berlin zu sehen. Es sind Tafeln, die Ihre farbliche Wahrnehmung von fünf literarischen Texten veranschaulichen. Wie lief der Arbeitsprozess ab?

Erst wollte ich herausfinden, ob für mich zum Beispiel das A schon immer denselben Gelbton hatte. Dafür habe ich das Gelb, das ich vor mir sehe, wenn ich an A denke, angemischt. Danach habe ich diese Farbe ein paar Wochen nicht mehr angeschaut, um die Farbe A wieder aus meinem Gedächtnis zu mischen. Die Farbreihen, die als Ergebnis rauskamen, zeigen, dass ich eine sehr genaue Vorstellung davon habe, wie die Buchstaben und Ziffern farblich aussehen.

Wie haben Sie die Texte anschließend synästhetisch dargestellt?

Ich habe eine Schrift entwickelt, deren Buchstaben nur aus Farbbalken bestehen. In meiner Synästhesie gibt es allerdings auch Wörter, die als Ganzes einer bestimmten Farbe zugeordnet sind. Es ist zum Beispiel egal, welche Farben die Buchstaben von „England“ haben. Für mich ist das Wort hellblau. Dementsprechend haben die Wörter, deren Farben die Buchstabenfarben überstrahlen, ihre eigene Wortfarbe erhalten.

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Hat sich das auf die einzelnen Farbtafeln ausgewirkt?

Ja. Oscar Wildes Text „Die Nachtigall und die Rose“ ist zum Beispiel sehr poetisch. Das Rot der Rose prägt die gesamte Tafel. Aber auch andere rote Wörter durchziehen den Text: Mund, Liebe, Blut.

Das klingt leicht nachvollziehbar. Auch Nicht-Synästhetiker denken bei Blut oder Mund an Rot.

Natürlich kann sich jeder vorstellen, dass das Gras grün ist. Der Unterschied ist: Ich kann das nicht abstellen. Die Farben sind einfach da. Das Wort „Olive“ bleibt in meiner Vorstellung grün, auch wenn von schwarzen Oliven die Rede ist. Das ist nicht störend. Aber wenn jemand Dienstag sagt, sehe ich grün und ein blau angemaltes A finde ich unharmonisch.

Interview: Ortrun Schütz

„Synaesthesia/4: Translating, Correcting, Archiving“ bis 21. Juli 2013. Fr bis So 14–18 Uhr und nach Vereinbarung. Art Laboratory Berlin, Prinzenallee 34, Wedding.