Synagoge am Fraenkelufer in Berlin-Kreuzberg: Raed Saleh schlägt Wiederaufbau vor
Diese Idee bringt Raed Saleh positive Aufmerksamkeit, könnte aber auch neuen Ärger über seinen Politikstil provozieren: Berlins SPD-Fraktionsvorsitzender hat jetzt vorgeschlagen, das Haupthaus der alten Synagoge am Fraenkelufer nach historischem Vorbild wiederaufzubauen.
Den prächtigen klassizistischen Bau in Kreuzberg hatten Nationalsozialisten in der Reichspogromnacht 1938 in Brand gesetzt, die Ruinen wurden in den späten 50er-Jahren abgetragen. Die jüdische Gemeinde nutzt bisher den alten Seitenflügel. Saleh schrieb am Donnerstag, anlässlich des Jahrestags der Pogromnacht vom 9. November, in einem Namensartikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), Deutschland baue seine Schlösser und Kirchen wieder auf, warum also nicht die alten Synagogen? Das Gotteshaus am Berliner Fraenkelufer sei dafür besonders geeignet.
Diesen Vorstoß plant der Fraktionsvorsitzende schon länger – eine Reaktion auf den kritischen Brandbrief vom Mittwoch gegen ihn und seine Alleingänge, unterschrieben von gut einem Drittel der SPD-Abgeordneten, ist er daher nicht. Tatsächlich hat sich Saleh, im Westjordanland geboren und muslimischen Glaubens, immer als Brückenbauer zwischen den Religionen verstanden, gerade auch zwischen Muslimen und Juden. Er fuhr mit jugendlichen Zuwanderern zur KZ-Gedenkstätte Auschwitz, er putzt Stolpersteine, besucht Synagogen, wirbt für den Dialog der Gläubigen. Die Europäische Rabbinerkonferenz verlieh ihm einen Toleranzpreis.
Seine aktuelle Initiative bezieht sich nicht nur auf das Fraenkelufer, sondern überhaupt auf den Wiederaufbau jüdischer Gotteshäuser. „Es könnte auch woanders sein.“ Seines Wissens gebe es nirgends in Deutschland eine nach historischem Vorbild wiederhergestellte, von Nazis zerstörte Synagoge, sondern nur Teil-Rekonstruktionen (wie in Berlin in der Oranienburger Straße) oder Neubauten wie in Dresden.
„Wir brauchen nicht unbedingt 2000 Plätze“
Die Fraenkelufer-Gemeinde habe es ihm angetan, sagte Saleh, denn sie brauche Platz, weil sie zu den am stärksten wachsenden in Berlin gehöre. Mike Delberg, Mitglied der Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, bestätigte das am Donnerstag. „Dieser Standort wäre optimal“, sagte er beim gemeinsamen Pressegespräch mit Saleh im Amtszimmer. Die Synagoge sei schon damals ein Zentrum jüdischen Lebens gewesen, habe eine Suppenküche und eine Jugendabteilung gehabt.
Die heutigen Besucher sind laut Delberg eine internationale Gruppe, die zunehmend Raumbedarf habe, etwa für eine Kindertagesstätte. „Das ist ein aktives Beispiel des Wiedererwachens jüdischen Lebens in Berlin.“ In einem neuen Haus könnte etwa ein kulturelles Zentrum entstehen, mit Veranstaltungen auch für nicht-jüdische Besucher. Um den großen historischen Saal im Haupthaus gehe es dabei nicht. „Wir brauchen nicht unbedingt 2000 Plätze.“ Auch der orthodoxe Gemeinderabbiner Yehuda Teichtal lobte Salehs Vorschlag.
Saleh sagte, er habe bereits viele Gespräche geführt, etwa mit dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Gideon Joffe. Er wolle sich nun bemühen, ein Kuratorium zusammenzurufen, um den Plan voranzutreiben. Dann könne vielleicht in einem Jahr, zum 80. Jahrestag der Pogrome, ein „starkes Zeichen für den Wiederaufbau“ gesetzt werden. Er sprach von einer möglichen Bausumme von 28 Millionen Euro, die etwa aus Bundes-, Landes- und Lottomitteln, Stiftungsgeld und Spenden zusammenkommen könnte.
„Ich unterstütze die Bestrebungen der Gemeinde“
Mit der Senatsfinanzverwaltung – das Baugrundstück gehört dem Land – gab es dazu aber noch keine Gespräche, wie eine Nachfrage ergab. Auch nicht mit dem für Religion zuständigen Kultursenator Klaus Lederer (Linke), der die Wiederaufbau-Idee am Donnerstag begrüßte, aber zugleich auf den massiven Sanierungsbedarf bestehender jüdischer Einrichtungen aufmerksam machte. „Es ist auch wichtig zu pflegen, was bereits existiert.“
Auch die Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann (Grüne), sagte, ihr Bezirksamt sei nicht informiert. Sie habe bereits 2016, zum 100. Jubiläum der 1916 eingeweihten Synagoge, mit der Gemeinde über deren Wiederaufbauwünsche gesprochen. „Ich unterstütze die Bestrebungen der Gemeinde – und wenn Herr Saleh sich uns anschließen möchte, ist er herzlich eingeladen“, sagte Herrmann.
Soziale Absicherung nötiger
Aus der Jüdischen Gemeinde kamen auch nachdenklichere Töne. Der Wiederaufbau von Synagogen sei kein Selbstzweck, sagte der Oppositionsvertreter Sergey Lagodinsky. Am Fraenkelufer aber wäre ein Ausbau „mehr als sinnvoll“. Es komme auf den Einzelfall an. Statt jedoch pauschal Synagogen wiederaufzubauen, sagte Lagodinsky, sollte das Geld besser in die soziale Absicherung verarmter jüdischer Senioren investiert werden: „Ein Projekt, das seit Jahren am Widerstand der Politik scheitert.“