Berlin - Diesem Denksport fehlt der Nachwuchs. Völlig klar, denn es gibt wohl kein Kartenspiel das derart mit komischen Klischees verbunden wird wie Bridge. Jeder denkt da gleich an alte, gut gekleidete Damen, die beim Tee am Tisch mit gebügelten Spitzendeckchen sitzen und Karten spielen. Bridge ist altmodisch, antiquiert, ein Spiel für Senioren.
Das bestätigen die Zahlen des Deutschen Bridge-Verbandes. 28 270 Mitglieder gibt es, 550 leben in Berlin. Knapp 80 Prozent aller Mitglieder sind Frauen, durchschnittlich 70 Jahre alt. 21 Prozent sind Männer. Ihr Durchschnittsalter beträgt 64,6 Jahre alt.
Michael Frühling ist halb so alt. Und das ist sein Problem. Seit sechs Jahren spielt der 32-jährige Sozialwissenschaftler Bridge. Er hat es während seines Studiums beim Uni-Sport kennengelernt. „Bridge ist die Königsdisziplin unter den Kartenspielen“, sagt er. „Nur gibt es leider keine Bridge-Clubs für jüngere Spieler.“ Dafür etliche Spieltreffen in Seniorenfreizeitstätten und Bridge-Clubs in Zehlendorf und Grunewald. Michael Frühling will Bridge deshalb bei jüngeren Leuten bekannt machen. „Wir brauchen Nachwuchs“, sagt er.
Montags ist Bridgetag
Die Neueinsteiger sitzen an diesem Montagabend in der Kneipe „Die Gelegenheiten“ in der Weserstraße. Die Eckkneipe ist wie viele andere Neuköllner Lokale längst zum Szenetreff der neuen Bewohner im Kiez geworden. Elf Leute, Anfang 20 bis Mitte 30, betreiben „Die Gelegenheiten“, die früher eine Fleischerei war, als unkommerzielle Kulturkneipe in Kollektivbetrieb. Alle arbeiten ehrenamtlich, es gibt keinen Lohn. Das Geld muss reichen für die Miete, die weniger als 500 Euro kostet. Donnerstags und freitags spielen Bands und Autoren lesen. Und montags ist Bridge-Tag. Der Andrang zu den Kursen ist unerwartet hoch. So hoch, dass es jetzt statt einem Kurs am Montag für die ersten 30 Angemeldeten einen zweiten Kurs am Dienstag gibt.