Berlin - „Da müssen wir unbedingt hin“, sagt eine Freundin, die den Tresor und das Publikum dort „nun auch wieder nicht so schlimm“ findet. Schon kurz vor zwölf ist die Schlange vor dem Eingang so lang wie sonst nur vorm Berghain. Hier geht es aber schneller: Ganz ohne Diskussion mit den Türstehern kommt jeder rein, auch die Gruppe von zwanzig aufgeregt schnatternden Italienern, die in anderen Clubs keine Chance hätte. Drinnen stehen die Leute schon dicht an dicht. Jeff Mills, ein schmächtiger Mann im schwarzen Hemd, steht auf der großen Bühne hinter Mischpulten. Die Musik ist verhalten, Beats plockern etwas unschlüssig unter einem breiten Klangteppich. Das Publikum ist überraschend studentisch, mehr Männer als Frauen.
Über Treppen aus Rohbeton geht es in den Keller, wohin sich das Stammpublikum aus dem Berliner Umland verzogen hat. Im niedrigen Tresorraum wütet das typische Bassgewitter. Bullige Fitnessstudio-Typen mit Baseball-Kappen pfeifen bei jedem Break, Frauen mit akkurat gezogenen Ponys rufen „Yeah“. Manchmal ist der Trockennebel so dicht, dass man nur die Stroboskope blitzen sieht. Es bollert, treibt und rumpelt – wie schon früher im Tresor. Dagegen spielt der Erfinder von Techno oben Schunkelmusik. Souliger Techno, nicht sehr hart und auch nicht schnell. Auf der Tanzfläche ist es so eng, dass einige Leute sogar vor der Bar tanzen. „Willst du ein Bier“, fragt ein Typ in Trainingsjacke.
Auch er ist wegen Jeff Mills gekommen. „Jeff Mills ist Gott!“, sagt er. Nach fünf Stunden dreht Gott dann doch noch mal richtig auf und spielt Klassiker aus der Zeit, als Techno nach leeren Fabrikhallen und Cyberspace klang: ein kaltes Gezirpe mit Bollerbeat. Die Leute flippen aus. „Das ist ja krass experimenteller Techno“, ruft mir ein Milchgesicht mit Baseballkappe zu, das bestimmt jünger ist als der Track, zu dem wir gerade tanzen. Und dann kommt er noch mal angehüpft und sagt mit leuchtenden Augen: „Find ich toll, dass du in deinem Alter auch noch ausgehst.“