„Tempo 30 wäre oft eine Beschleunigung“: Berlins Verkehrssenatorin Regine Günther zu neuen Tempo-30-Zonen in der Innenstadt
Eines der Gemälde zeigt grünes Dickicht, ein anderes Quallen in blau. Die Bilder der Malerin Alke Brinkmann sind derzeit der einzige Wandschmuck im Büro der Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. Der Raum im Senatsgebäude Am Köllnischen Park in Mitte wirkt so, als hätte Regine Günther seit ihrem Amtsantritt 2016 kaum Zeit gehabt, sich einzurichten. In der Tat gibt es anderes zu tun. Auf der Agenda stehen viele, teils streitträchtige Themen. Etwa Tempo 30.
Mit 54 sind Sie in die Politik und die Verwaltung gewechselt. Haben Sie Ihre Entscheidung schon bereut?
Für mich ist es immer noch die richtige Entscheidung. Senatorin zu sein ist eine spannende, herausfordernde Aufgabe, sehr vielfältig. Ich habe viel mit Menschen zu tun, was mir gut gefällt. Außerdem ist dies ein Gestaltungsressort, da gibt es viele Möglichkeiten, etwas zum Positiven zu verändern.
Was Sie entscheiden, kann Autofahrer, Radfahrer, viele andere Berliner betreffen. Üben Sie gern Macht aus?
Macht – das klingt, als würde ich mich über andere Menschen hinwegsetzen. Natürlich geht es am Ende stets darum, Entscheidungen zu treffen. Tatsächlich müssen Menschen für diese Lösungen gewonnen werden, und deshalb steht vielmehr der bestmögliche Kompromiss sehr oft im Zentrum meines Handelns.
Haben Sie den Eindruck, bislang schon etwas geschafft zu haben?
Wir sind erst seit sechs Monaten im Amt und augenblicklich noch in vielen Prozessen. In der zweiten Jahreshälfte wird vieles sichtbarer werden. Gute Gesetzgebung und gute Infrastrukturplanungen brauchen einfach auch Zeit. In den vergangenen sechs Monaten habe ich die Verwaltung kennengelernt, mit Verbandsvertretern und fast allen Bezirksbürgermeisterinnen und Bürgermeistern gesprochen. Ein konkretes Ergebnis sind die Eckpunkte für ein Radgesetz, aus denen wir so schnell wie möglich einen Gesetzentwurf machen.
Sie haben gesagt, dass der Referentenentwurf im Juni nicht mehr fertig wird. Das gab Ärger mit der Fahrradlobby, die mehr Tempo will. Die Volksentscheid-Initiative warf Ihnen vor, nicht in ausreichendem Maße das Gespräch zu suchen.
Das kann ich nicht nachvollziehen. Es gab zwischen der Initiative Volksentscheid Fahrrad und meinem Staatssekretär einen Gesprächstermin am Sonntag. Wir haben sehr schnell auf die Gesprächsanfrage reagiert.
Anfangs war es vor allem Ihr Staatssekretär Jens-Holger Kirchner, der sich zu Verkehrsthemen zu Wort meldete. Hatten Sie das Gefühl, dass er Ihnen die Schau stiehlt?
In solchen Kategorien denke ich nicht. Es gibt unterschiedliche Kommunikationsstile, und das ist in der Diskussion belebend und gut. Es ist kein Geheimnis, dass wir ein sehr gutes und offenes Verhältnis haben.
Sie haben einmal gesagt, Sie hätten den Eindruck, dass in der Berliner Verwaltung extrem gespart worden sei. Was meinen Sie damit?
Es war für mich eine große Überraschung, wie radikal auch in dieser Verwaltung Personal reduziert wurde. Notwendige Dienstleistungen konnten nicht mehr aufrechterhalten werden. Mit dem Personalbestand, den wir bislang hatten, können wir beispielsweise die Brücken und Straßen nicht in einem guten Zustand erhalten. Das wollen wir verändern. Mich stören deshalb manche unreflektierte Diskussionen über Bürokratieabbau. Bürokratie ist eben auch notwendige Dienstleistung für die Bürgerinnen und Bürger.
Besteht nicht die Gefahr, dass die Verwaltung wieder aufgebläht wird?
Davon sind wir weit entfernt. Berlin ist eine wachsende Stadt, der Verkehr nimmt zu, wir müssen das Stadtgrün erhalten und gestalten, unsere Wasserversorgung sichern – die wachsende Stadt hat Auswirkungen in alle Bereichen. Darum müssen wir uns kümmern. Wir müssen mitwachsen, nicht schrumpfen, um unseren Aufgaben gerecht zu werden.
Auf der nächsten Seite lesen Sie, wie Regine Günther zu der Kritik an der geplanten Ausdehnung von Tempo 30 steht.