Temporäre Spielstraße: Die Behörden wollen nicht mitspielen

Was Prenzlauer Berg nicht hinkriegt, könnte vielleicht bald in Kreuzberg klappen: Dass Kinder an manchen Tagen auf der Straße spielen können, ohne dass dort Autos fahren und parken. Temporäre Spielstraße heißt diese kinderfreundliche Nutzung einer Straße, es gibt sie in Großstädten wie Frankfurt/Main und Bremen.

In Berlin findet man solche Spielstraßen noch nicht. Dabei bemühen sich Eltern aus Prenzlauer Berg schon seit drei Jahren darum. Im Jahr 2015 sollte die Gudvanger Straße am Humannplatz einmal pro Woche von 10 bis 18 Uhr zur autofreien Straße werden. Doch Anwohner klagten dagegen, ein Gericht lehnte das Konzept daraufhin ab. Einfaches Spielen allein sei kein Grund, eine Straße stundenweise für Autos zu sperren, so die Begründung. Mit dem Bezirk erarbeiteten die Eltern dann ein umfängliches Konzept mit pädagogischer Zielsetzung und konkretem Ablaufplan. Wieder beschwerten sich Nachbarn.

„Wir haben dafür keinen geeigneten Mitarbeiter parat“

Im Juni 2017 fand das Berliner Verwaltungsgericht einen Kompromiss zwischen Gegnern und Befürwortern: Von Mai bis Oktober wird die Gudvanger Straße einmal im Monat von 14 bis 18 Uhr zur temporären Spielstraße. Praktisch heißt das, Kinder dürfen an fünf Tagen im Jahr nachmittags für vier Stunden auf der Straße spielen. Von der ursprünglichen Idee ist nicht viel übrig geblieben, dennoch bewerteten die Initiatoren den Kompromiss als richtungsweisende Entscheidung.

In drei Wochen, am 7. Mai, sollte die Spielstraße nun zum ersten Mal eingerichtet werden. Einen Antrag haben die Initiatoren mit Unterstützung des Jugendamtes bei der Pankower Straßenverkehrsbehörde eingereicht. Doch diese spielt nicht mit. Stadtrat Daniel Krüger (für AfD) weiß nichts von einem Antrag. „Und und wir haben auch keinen Mitarbeiter, der sich darum kümmern kann“, sagt Krüger. Weil es sich um einen komplizierten Sonderfall von Straßennutzung handele, der genau überprüft werde, müsse sich ein Kollege in leitender Position darum kümmern. „Wir haben dafür keinen geeigneten Mitarbeiter parat“, sagt Krüger. Im Laufe des Jahres werde sich an der Personalsituation wohl nichts verbessern, sagt Krüger.

Einfach zu machen

Matthias Groh von der Anwohner-Initiative sagt, er sei „extrem sauer“. „Nach drei Jahren Wartezeit kann das niemand nachvollziehen.“ Groh sagt, der Senat müsse jetzt dafür sorgen, dass das Genehmigungsverfahren vereinfacht werde.

Grundlage könnte ein Gutachten des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes (WPD) des Abgeordnetenhauses sein, das der frühere Abgeordnete der Grünen und heutige Bundestagsabgeordnete Stefan Gelbhaar 2017 in Auftrag gegeben hat. Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass auf Grundlage der Straßenverkehrsordnung „kein Grund“ ersichtlich sei, warum man nicht eine temporäre Spielstraße einrichten könne. Dafür brauche man lediglich die Verkehrsschilder für Fahrverbote und mit ballspielendem Kind.

Stefan Gelbhaar sagt, temporäre Spielstraßen seien im Rahmen der geltenden Rechtslage einfach zu machen. „Das Gutachten zeigt klar, wie es geht. Die Bezirke müssen nicht weiter zögern.“

Das Deutsche Kinderhilfswerk unterstützt

Im Kreuzberger Graefekiez starten Mitarbeiter von Kinder- und Schülerläden nun den nächsten Versuch. Ab 2019 soll die Böckhstraße einmal pro Woche für drei Stunden zur Spielstraße werden, um „zusätzlichen Spiel- und Entfaltungsraum für Kinder zu schaffen“, sagt Stefan Rohner, Erzieher im Schülerladen Hasenbau. Zwar sei der Kiez verkehrsberuhigt, doch wegen des vielen Autoverkehrs sei davon nichts mehr zu spüren. Am 16. Mai will die Initiative erstmals für ihre Idee auf der Böckhstraße demonstrieren, für das Bezirksparlament bereiten sie einen Einwohnerantrag vor.

Das Deutsche Kinderhilfswerk unterstützt die Initiativen. „Wir ermutigen Nachbarschaftsinitiativen und Vereine ausdrücklich, solche Aktionen anzumelden“, sagt Bundesgeschäftsführer Holger Hofmann. Das WPD-Gutachten sei eine gute Grundlage.