Tiefrote Zahlen am Flughafen BER: Über eine halbe Milliarde Euro Verlust

Erst Corona, jetzt die Ukraine-Krise – Finanzprobleme plagen den neuen Berliner Airport. Nun erwartet die Chefin auch noch, dass Tickets teurer werden.

Der Stolz des Flughafens BER: United Airlines fliegt täglich nach Newark/New York. Eine Maschine der US-amerikanischen Fluggesellschaft steht vor Terminal 1.
Der Stolz des Flughafens BER: United Airlines fliegt täglich nach Newark/New York. Eine Maschine der US-amerikanischen Fluggesellschaft steht vor Terminal 1.dpa/Patrick Pleul

Für 20 Euro nach Mallorca, für 30 Euro nach München fliegen: Das war einmal – und es kommt wohl nicht wieder. „Wir rechnen mit weiter steigenden Ticketpreisen“, sagte die Berliner Flughafenchefin Aletta von Massenbach am Dienstag. Flugbenzin werde immer teurer, eine Folge des russischen Angriffskriegs. Auch für die Steuerzahler und die Beteiligten auf staatlicher Seite ist der Luftverkehr eine zunehmend kostspielige Veranstaltung. Zwar konnte die Flughafengesellschaft FBB den Verlust im vergangenen Jahr ungefähr halbieren. „Trotzdem haben wir einen Konzernjahresfehlbetrag von 569 Millionen Euro verzeichnet“, teilte von Massenbach während der Bilanzpressekonferenz mit. Die Verschuldung des Staatsunternehmens stieg auf mehr als fünf Milliarden Euro.

Künftig nicht mehr laufen – Rollsteige werden endlich saniert

Man könnte es auch als Aufarbeitung der Vergangenheit verstehen. Im Terminal 1, dem großen Empfangsgebäude des BER in Schönefeld, ist mit der Sanierung der kaputten Laufbänder begonnen worden. „In den nächsten Wochen sollen die ersten acht Anlagen funktionsfähig sein“, sagte Aletta von Massenbach. Weitere acht Roll- oder Fahrsteige, die Passagieren ebenfalls längeres Laufen ersparen sollen, sollen bis zum Jahresende erneuert werden. Für das 76-Meter-Laufband zum Mietwagencenter wird kein Termin genannt, es gilt als besonders schwieriger Fall. Die Anlagen wurden zwischen 2011 und 2014 fertig. Doch weil die Eröffnung des Flughafens immer wieder verschoben wurde, standen sie seitdem jahrelang still – was der Technik offenbar nicht bekommen ist.

Immerhin, dieses Thema wird nun angegangen – für einen einstelligen Millionenbetrag, wie die Vorstandsvorsitzende der Flughafengesellschaft mitteilte. Doch das grundsätzliche Finanzproblem des BER ist geblieben, und es ist in Zeiten der Corona-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine eher größer als kleiner geworden. „Es war ein kompliziertes und schwieriges Jahr“, bilanzierte Jörg Simon am Dienstag. Er ist der Aufsichtsratsvorsitzende der Flughafengesellschaft, die Berlin, Brandenburg und dem Bund gehört. „Corona hat dem BER auch im ersten vollständigen Betriebsjahr außerordentliche Probleme beschert“, so der frühere Chef der Berliner Wasserbetriebe.

Erst kaufmännische Geschäftsführung, seit Oktober 2021 Vorsitzende der Geschäftsführung: Aletta von Massenbach leitet die Flughafengesellschaft FBB. Im vergangenen Jahr betrugen ihre Bezüge 428.000 Euro.
Erst kaufmännische Geschäftsführung, seit Oktober 2021 Vorsitzende der Geschäftsführung: Aletta von Massenbach leitet die Flughafengesellschaft FBB. Im vergangenen Jahr betrugen ihre Bezüge 428.000 Euro.Volkmar Otto

Im vergangenen Jahr wurde der neue Flughafen südöstlich von Berlin von 9,95 Millionen Passagieren genutzt, teilte von Massenbach mit. Im Vergleich zu 2019, dem letzten Jahr vor Beginn der Corona-Pandemie, sei das ein Rückgang um 72 Prozent. Im ersten Halbjahr 2021, als ein Lockdown das Wirtschaftsleben erheblich lähmte, hätten gerade mal 1,85 Millionen Menschen den BER genutzt.

Immerhin, der Umsatz der Flughafengesellschaft stieg um fast hundert Millionen Euro auf 271,7 Millionen Euro, gab die Flughafenchefin bekannt. Mit durchschnittlich rund 16 Euro pro Fluggast seien die Erlöse deutlich höher als einst in Tegel. Trotzdem lag der Umsatz immer noch unter dem Vor-Corona-Niveau. 2019 betrug er 416 Millionen Euro.

Minus beim BER wird kleiner

Auch beim operativen Ergebnis, das in der Bilanz als Ebitda auftaucht, ist der Trend positiv, hieß es am Dienstag. Betrug es 2020 noch minus 145 Millionen Euro, so schrumpfte dieses Defizit im vergangenen Jahr auf elf Millionen Euro zusammen, teilte von Massenbach mit. „Mit so wenigen Fluggästen können wir den Aufwand nicht decken, aber wir sind knapp dran“, lautete ihr Resümee.

Trotzdem hat das Unternehmen auch im vergangenen Jahr tiefrote Zahlen geschrieben. Mit mehr als einer halben Milliarde Euro sei der Konzernverlust „signifikant“, musste die BER-Chefin eingestehen. Vor allem Abschreibungen, unter anderem als Reaktion für die überlange Bauphase am BER, und Zinsen hätten das Defizit in die Höhe getrieben. Letztere hätten sich auf rund hundert Millionen Euro summiert, sagte sie. Die Bankverbindlichkeiten sanken leicht auf knapp 3,2 Milliarden Euro. Dafür steht die FBB bei den Gesellschaftern stärker in der Kreide. Als Liquiditätshilfe gewährten sie weitere Darlehen, die sich inzwischen auf mehr als 1,8 Milliarden Euro summierten. „Die Verschuldung ist viel zu hoch für ein Unternehmen mit diesem Geschäftsvolumen“, kommentierte von Massenbach. „Wir müssen damit runter.“ Doch wohl erst 2026, so die Erwartung, werden die Verbindlichkeiten ein „normales Niveau“ erreichen, sagte sie.

Neues Terminal am Flughafen Berlin-Brandenburg funktioniert „supergut“

Aber wie groß kann Gewissheit in diesen Zeiten sein? Zumindest die Verkehrszahlen geben dem FBB-Team Hoffnung. „Dort sehen wir deutliche Erholungstendenzen. Die Menschen wollen wieder reisen, das merken wir am BER“, so die Flughafenchefin. Zu manchen Zeiten, zum Beispiel montags und freitags am Morgen, sei der Andrang schon fast wieder so groß wie vor Corona. Im Sommer konnte man vom neuen Flughafen mit 70 Airlines 156 Destinationen in 50 Ländern erreichen – durchaus vergleichbar mit 2019. Das neue Terminal 2 funktioniere „supergut“, freute sich die Chefin. Der Osterreiseverkehr bescherte beiden Terminals mehr als eine Million Passagiere. Ende März kam mit der United-Airlines-Route nach Newark/New York eine vierte Langstreckenverbindung hinzu – auch wenn die versprochene Washington-Linie wieder abgesagt wurde. Für 2022 werden 17 Millionen Passagiere am Flughafen BER erwartet.

Aber es gibt weitere Unwägbarkeiten, allen voran die Folgen des Angriffs auf die Ukraine. Bislang kam das Kerosin, das am Berliner Flughafen getankt wurde, meist aus zwei Raffinerien: Leuna in Sachsen-Anhalt und Schwedt in Brandenburg. Die Schwedter Anlage gehört dem russischen Staatskonzern Rosneft. Ob und unter welchem Besitzer dort während des angekündigten Embargos noch Erdölprodukte hergestellt werden, ist ungewiss. Nach Informationen der FBB betrifft dies den Flugverkehr am BER allerdings derzeit nicht. Zum Teil würden Flugzeuge nun anderswo betankt, sagte ein Sprecher. Airlines und Mineralölgesellschaft gingen davon aus, „dass sie ihren Lieferverpflichtungen nachkommen können“, sagte Aletta von Massenbach.